Anzahl der Beiträge : 7077 Alter : 36 Ort : Magdeburg Anmeldedatum : 20.10.07
Thema: Santa Muerte - Schwarze Mutter Gottes So 7 Jun 2015 - 17:55
Santa Muerte ist ein Phänomen, sie ist der heilige Tod der Lateinamerikaner (vor allem derjenigen, die ihre Wurzeln in Mexiko haben), den sie verehren, wie sonst nur die Heilige Jungfrau Maria verehrt wird. Und man kann Vergleiche ziehen, denn die Gläubigen schmücken eine Statue mit schönen Gewändern und Schleiern, schmücken sie mit Blumen, Gold und Perlen und zünden ihr zu Ehren Kerzen an. Der Unterschied besteht darin, dass die Heilige ein weibliches Skelett ist, das auch oft eine Sense bei sich trägt. Die katholische Kirche lehnt dies ab, sie stellt Santa Muerte in die Nähe religiöser Kulte, die einen unverkennbar heidnischen Ursprung haben. Sie stellt, so die Kirche, den Sieg Christi über den Tod in Frage.
Darüber kann man streiten, denn die Anhängerschaft der Santa Muerte sieht in ihr nichts Morbides oder Düsteres. Man opfert ihr Dinge wie Zigarren, Tequila oder Rosen, wenn man eine Bitte an sie hat. Im Allgemeinen geht es bei diesen Bitten um Liebe, Glück oder Schutz - eigentlich genau um dieselben Wünsche, die man der Heiligen Jungfrau unterbreitet. Wo die Wurzeln dieser besonderen Heiligen liegen, ist nicht ganz klar - es gibt die Theorie, dass sie niemand anderes ist als Mictecacihuatl, die Frau des aztekischen Totengottes, die im Laufe der Zeit zu einem Mischwesen wurde, das Christentum und heidnischen Kult verbindet.
Vielleicht ist sie auch Hekate oder Hel - Göttinnen, die eine Verdüsterung erfuhren durch die neue Lehre. Denn in den alten Zeiten waren sie nicht böse, sondern auch für Wachstum und Leben zuständig. Hekate gebot über das Meer und das Land, stand für Jugend, Licht und Segnung und war Hüterin des ewigen Kreislaufes des Lebens, zu dem auch der Tod gehört, der Ende ist und Anfang zugleich. Das ist deutlich in der Gestalt der nordischen "Hel", deren Haut auf einer Seite schwarz war und auf der anderen Seite weiß. Hel hütete die Toten in ihrem Reich, welches später unter dem Einfluss des Christentums zu einem Ort der schlimmen Bestrafung wurde. Das Wort "Hölle" leitet sich wohl von dem Namen dieser Göttin ab.
Die Kelten kannten das Bild der dreigestaltigen weiblichen Gottheit, der jungen Frau der Mutter und der weisen Alten - aber dazu gab es auch den jenseitigen Aspekt der verborgenen und abgewandten Göttin. In diesen Zeiten wurde der Tod in das Leben einbezogen und gehörte so selbstverständlich dem Weiblichen an, das auch das Leben und das Wachstum verkörperte.
Die Kirche lehrt nun das Gegenteil - hier steht das männliche für diese beiden Punkte. Und mehr noch - der Tod wird nicht integriert und als Aspekt des Seins begriffen, sondern gar bekämpft. Das gilt zwar für den spirituellen Tod, nicht für den körperlichen - doch sind die Mysterien in dieser Hinsicht nicht unbedingt klar dargelegt für die Gläubigen. Das Mittelalter hat mit der Erfindung der lokalen Hölle mit realen körperlichen Schmerzen und Qualen den Tod endgültig außerhalb des Lebens gestellt und mit großer Angst belastet. Diese Ausgrenzung ist eigentlich fatal - denn sie verzerrt das Bild vom Leben als Ganzes und bringt niemanden weiter. Das Abendland hat den Tod - im Gegensatz zu anderen Kulturen - mit Morbidität belegt und tabuisiert.
Der Gegensatz der Santa Muerte zeigt eine andere Sicht der Dinge auf und sollte nicht als reines Kuriosum angesehen werden, sondern zum Nachdenken anregen. Sie ist der freundliche Tod, der viel zu geben hat, im Bewusstsein, dass er eigentlich keinen eigenen Stellenwert hat, sondern zum Leben gehört.
Diese kleine Religion aus Mexiko vermittelt ein positives Bild des Todes und scheint über die Ängste vor ihm erhaben zu sein. Also ich denke, das man Leben und Tod nicht als Gegensätze betrachten sollte, sondern nur als Zustände des Seins. Nach dem Tod zerfällt der Körper und hinterlässt die Grundlagen für neues Leben. Schon der Tod eines massereichen Sterns brachte uns die Grundelemente des Lebens. Es ist also ein ständiger Wechsel zwischen den Zuständen der Energie. Man kann es auch kausale Wechselwirkungen und Transformationsprozesse nennen. Es wäre viel schöner und leichter den Tod als einfachen Transformationsprozess am Ende des Lebens zu betrachten. Die Angst vor dem Tod schafft nur ein Problem für die Gedanken eines Ich-Bewusstseins (Ego), das reine Selbst nimmt dieses Thema jedoch mit Leichtigkeit.
Kann man sich so auch diese Lebensfreude der Anhänger von Santa Muerte erklären? Es ist eine recht humorvolle Gemeinschaft. Es gibt durchaus ähnliche Strömungen bei uns in Europa (nur nicht als Religion) in den Subkulturen, wie die Gothickultur, Metal & Black-Metal, Death-Rock und Horror-Punk. In der Hinsicht sind auch hier einige im Hinblick auf das Thema Tod recht gelassen und verarbeiten dieses Thema sogar mit Leidenschaft in Musik und Kunst oder im Erscheinungsbild.
Kein Mensch wird von dieser Gemeinschaft ausgeschlossen, egal welcher Herkunft, welcher geschlechtlichen Identität oder Sexualität, egal aus welcher Schicht der Gesellschaft. Für alle ist es offen. Denn eines ist ja allen im Leben gewiss, der Tod ist wie das letzte Satzzeichen eines Buches im Leben aller.
cRAwler23 Parteielite
Anzahl der Beiträge : 7077 Alter : 36 Ort : Magdeburg Anmeldedatum : 20.10.07
Thema: Re: Santa Muerte - Schwarze Mutter Gottes So 7 Jun 2015 - 18:44
Noch was interessantes, diesmal aus der reinen Fiktion, stammend aus dem Hause Marvel, Lady Death die Geliebte des Antihelden Deadpool (aus der gleichnamigen Comicreihe, welche Bezug zu den X-Men Comics hat). Das paradoxe an dieser Beziehung ist, der Tod in Form von Lady Death (inspiriert von Santa Muerte) ist in Deadpool verliebt, welcher jedoch unsterblich ist. Diese Liebe ist gegenseitiger Natur und Deadpool hätte durch seine sehr schräge Lebensweise eigentlich schon lange tot sein müssen, nur aufgrund seiner Heilkräfte wird es sicherlich noch ein Weilchen dauern bis er und Lady Death vereint sein können.
Ist auch herrlich schwarzhumorig angehaucht, besonders wenn man bedenkt das er Krebs im Endstadium hat und gleichzeitig unsterblich ist, dazu kommt noch eine Dissoziation und Schizophrenie. Da ist natürlich klar das seine Lebensphilosophie ziemlich absurd ist, jedoch auf eine sympathische Art und Weise.
Lately Death has been shown to have active interest in Deadpool the merc with a mouth. He is one of the few - if not the only - sane mortals that can see and interact with her. During his torture after his failure in Department K, she would often distract him with fantasy worlds for the two, such as dancing together or having a picnic. She was the reason he wanted to die during that time, so he could be with her. However, when Deadpool activated his healing power through his need for vengeance, he could no longer see or hear her which upset the plans she had for him. While they had a flirtatious relationship, she made it clear that they would never so much as kiss until after he died.
Ist natürlich nur ein schwarzhumoriger Ausflug in die Welt der Comics, zeigt aber das man die sinnbildliche Natur von Santa Muerte auf unterschiedlichste Weise darstellen kann und sich im Kern doch immer ähnlich ist. Denn der Tod kämpft nicht mit dem Leben, sondern transformiert es nur und kann in der Welt der Fantasie sogar irgendwie liebenswürdig sein. In der Hinsicht ist auch eine Version des Todes im DC-Universum interessant, aus "The Sandman" einer fast schon spirituell/philosophischen und auch tiefgründigen Betrachtung von Diesseits und Jenseits:
Der Protagonist von Sandman ist Dream (Traum), auch Morpheus, Oneiros, Traumweber (engl.: Dreamweaver), Lord Gestalter (engl.: Lord Shaper) oder Lord L’zoril genannt. Als Herrscher des Traumreichs (engl. The Dreaming) ist er der „Herr dessen, was nicht ist, nie war und nie sein wird“. Er und seine Geschwister Destiny (Schicksal), Death (Tod), Destruction (Zerstörung), Desire (Verlangen), Despair (Verzweiflung) und Delirium (Fieberwahn) sind die sieben Ewigen (engl.: The Endless), die mit dem Universum entstanden sind und im Gegensatz zu Göttern keine Gläubigen brauchen, um zu existieren.
In einer verschlungenen, aber in sich stringenten Geschichte beschreibt Gaiman die Folgen, die sich aus der Gefangennahme Dreams durch einen englischen Okkultisten Anfang des 20. Jahrhunderts und seine Befreiung ergeben. Die Handlung spielt zeitlich parallel zum Erscheinen der Graphic Novels, enthält aber auch zahlreiche Rückblenden in Antike, Mittelalter und frühe Neuzeit. Gaiman selbst fasste die Handlung der Serie so zusammen: “The Lord of Dreams learns that one must change or die, and makes his decision.” (deutsch: „Der Herr der Träume lernt, dass man sich verändern oder sterben muss, und er trifft seine Entscheidung.“)
Typisch für die Serie ist, dass zahlreiche mythologische und historische Charaktere in die Handlung eingebunden sind, zum Beispiel Luzifer, Orpheus, die Eumeniden, Odin, Loki und William Shakespeare. Ferner treten einige Figuren aus dem DC-Universum auf, etwa der Martian Manhunter. Immer wieder deutet Gaiman auf mythologische, historische und literarische Vorlagen hin. So ist beispielsweise der Garten, in dem Destiny umherwandert, eine Anspielung auf Jorge Luis Borges' Geschichte „Der Garten der Pfade, die sich verzweigen“, während der Inhalt der Bibliothek in Dreams Schloss an Borges' Kurzgeschichte „Die Bibliothek von Babel“ denken lässt, die ebenfalls in dem Erzählungsband Fiktionen erschienen ist, dem Ursprungswerk des Magischen Realismus.
Death ist die einzige der Ewigen, die vielleicht schon in der vorigen Version des Universums existierte und vielleicht in der nächsten existieren wird. Gaiman charakterisiert Death entgegengesetzt der üblichen Vorstellung als lockere Gothic-Braut. Ihr Reich ist ein unaufgeräumtes Apartment, ihr Haustier ist ein Goldfisch. Sie besucht jeden, der stirbt, und anders als andere Verkörperungen des Todes auch jeden bei seiner Geburt. Nach eigener Aussage wird sie das Universum verschließen, nachdem das letzte Lebewesen gestorben ist.
Ihr erster Auftritt ist in Episode 8, The Sound of Her Wings. Diese Geschichte brachte ihr auf Anhieb eine große Fangemeinde ein, sie zählt zu den beliebtesten Charakteren der Serie. Gaiman benutzte diesen Charakter als Hauptfigur für zwei kleinere Serien, Death: The High Cost of Living (1993) und Death: The Time of Your Life (1996), und als Nebencharakter in The Books of Magic. Neben verschiedenen anderen Auftritten in DC-Comics gibt es noch die Manga-artige Graphic Novel Death At Death's Door, geschrieben und illustriert von Jill Thompson.
Sie ist die vielleicht sympathischste Verkörperung und Versinnbildlichung des Todes die es gibt. Sie ist nicht Feind des Lebens, sondern Freund und ständiger Begleiter dessen. Sie ermutigt für das selbstverwirklichte Leben, möchte das jedes Leben so bewusst wie möglich gelebt wird, das am Ende jeder dieses Leben mit Erfüllung und Entspannung verlassen kann. Aber das Leben auch frei von Illusionen lebt, da gibt es eine Anspielung auch auf diese Thematik: Samsara und Nirwana
Ihre Darstellung erinnert auch etwas an die von Joe Black aus dem Film "Rendezvous mit Joe Black". Seine Einstellung zum Leben gleicht der ihren. Also "Santa Muerte" oder auch "Lady Death", der heilige Tod und die Darstellungsformen dessen könnten unterschiedlicher nicht sein und doch haben sie alle ähnliche Einstellungen zum Leben.