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 Lesestoff

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BeitragThema: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeSa 6 Jun 2009 - 15:05

ollaH


Für alle Leseratten, für Buchtipps, für Kurzgeschichten und für eigene Schreibereien .


Gebe mal einen Buchtipp :

Ein Jahr - 2070

Lesestoff Ein_jahr-2070-big

"Ein pogo-anarchistischer Roman
Als im München des Jahres 2070 ein grausamer Mord geschieht, ist es Geheimpolizist Thomas Lewro, der zur Aufklärung an den Tatort eilt. Zusammen mit seinem Partner versucht er den Fall aufzuklären. Sie verstricken sich immer tiefer in ein Geflecht von geheimen Orden, skurrilen Verschwörungen und der eigenen Ideologie, niemals mehr in die Abgründe einer bluttriefenden Vergangenheit zurück zu fallen. Erst ein Anschlag auf den Ermittler und eine nervenaufreibende Zeit im Festgehaltenentrakt lassen ihn eine finale Entscheidung treffen, welche die ganze Welt verändern könnte."


Und noch nen Tipp :

Eine Reise durch das Land der Bekloppten und Bescheuerten: Dietmar Wischmeyers Logbuch

Lesestoff 013.064.402

"Kurzbeschreibung
Dietmar Wischmeyer, Erfinder des 'Kleinen Tierfreunds' und des 'Frühstyxradios' fährt mit dem Rasiermesser durch den deutschen Alltag, durch die Eigenheimlager am Rande des Gewerbegebiets, über die glibbrigen Fleischtheken mit Pfannengyros, rein in die Metapherhölle des Brotregals und hoch zur Aluleiter-Nordwand am Baumarktmassiv. Jeder, der nach diesem Parforceritt seine alltägliche Umgebung noch mit gleichen Augen sieht, darf sich auch zu ihnen zählen, zu den Bekloppten und Bescheuerten dieses Landes."
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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeMo 8 Jun 2009 - 18:06

Wenn jemand noch nix von meinem einen besonderen Traum gehört hat, ich jemanden nur etwas darüber erzählt habe oder jemand noch nich meinen Blog auf MyStasi gelesen hat, kann wenn er sie es möchte hier noch mal meine Traumgeschichte über "Ra'Ur" lesen .

Kurze Inhaltsangabe :

Es geht um eine Welt die ihrem Untergang bevorsteht und sogar weiß wann der Zeitpunkt ihres Untergangs eintreffen wird . Eine Welt die keinen Rettungsversuch unversucht lässt ...




Lesestoff Sacred_by_creativ822





Ra'Ur






Stellt euch vor ...


...ihr lebt auf einer Welt die ein sehr spezielles Schicksal trägt .

Der Name dieser Welt war „Antra’Ur“, sie befand sich in einem Sternsystem welches aus 13 Planeten bestand, 4 von ihnen waren Gasriesen (die ähnlich groß unserem Jupiter und Saturn waren) und auch über sehr viele Monde verfügten, es gab 9 weitere Planeten unterschiedlicher Größe, zwei von ihnen umkreisten auf der inneren Bahn die Sonne „Sol’Ra“, eine Sonne die 40 mal größer war als die unsrige . Die anderen Planeten umkreisten die Bahn in unterschiedlichen Abständen . Der Durchmesser des Sternensystems ist ca. 85 mal größer als das unsrige .

Diese Welt war in einem längst vergangenen Universum, also diese Welt gab es vor sehr langer Zeit und wusste das sie nur eine bestimmte Zeit der Existenz zur Verfügung hatte, denn ihre Sonne war extrem instabil und da das Volk schon große technologische Fortschritte gemacht hat wussten sie von dieser Instabilität bescheid, sie verbrachten sehr viele Jahrhunderte damit Lösungen des Problems zu finden .

Dieses Volk hatte eine völlig andere Entwicklung als wir auf der Erde hinter sich, untereinander führten sie sehr lange keine Kriege und hatten eine sehr gesunde Gesellschaft, die Korruption nicht kannte, vielleicht aufgrund des Wissens das ihre Welt nur eine bestimmte zeitlang existieren würde, sogar wie lange noch .Sie wussten das vom Beginn ihrer Zeitrechnung aus ca. fünftausend Jahre übrig blieben von ihrer Geschichtsschreibung, sie befanden sich in ihrer Zeitrechnung gerade in ihrem dritten Jahrtausend als sie die Feststellung machten das ihre Sonne in zweitausend Jahren kollabieren würde aufgrund ihrer verstärkten Wasserstoff-Helium Fusion, sie würde sich aufblähen zu einem kurzeitigen Rotenriesen und ihre Planeten einfach verglühen lassen ...

Nun es vergingen einige Jahre seit dieser Erschütternden Feststellung und es bildeten sich so genante „Denkfabriken“ die Problem Lösungen suchen sollten .
Die ersten Lösungen waren die üblich erwarteten, eine Notevakuierung des Planeten auf einen der äußeren Planeten des Sonnensystems doch das stelle sich sehr schnell als logistisches Problem heraus und wäre auch nur von kurzer Dauer möglich da die Sonne nach dem Aufblähen einige Zeit später kollabieren würde, damit würden sicherlich alle Planeten zerstört werden die sich in diesem Sternensystem befanden . Also fiel dieser Vorschlag weg (jedoch man behielt sich die Option offen falls Überlichtantriebe längere Reisen ermöglichten), zum anderen wurde ein Generationenschiff geplant, ein gigantisches Schiff was einen teil der Gesamtbevölkerung tragen könne, in so genannten Habitaten welche als rotierende Module Gravitation ermöglichen und auch Wetter im inneren ermöglichen so das sich ein Ökosystem bilden kann. Jedoch die Produktion eines solch gigantischen Schiffes wäre zu aufwändig und könnte gerade mal 2% der Gesamtbevölkerung tragen, die Produktion mehrer solcher Schiffe könnte eine ökologische Katastrophe auf dem Planeten auslösen, selbst von anderen benachbarten Planeten Ressourcen zu fördern wäre extrem aufwändig aber auch diese Option wurde berücksichtigt, jedoch nach einiger Zeit wurde die Gesamtidee auch fallen gelassen .
Auch die Technologien dieses Volkes haben sich über die Jahre sehr viel weiterentwickelt, die Technologien die nötig wären dieses Schicksal zu verhindern gab es noch nicht .
Andere Wissenschaftler haben den Vorschlag gemacht mit einer speziellen „Polarstrahl“ Technologie an den Nord und Süd Pol der Sonne massive Ausströmungen zu erzeugen und Druck dieses Sterns abzulassen, laut Berechnungen würde dieser Prozess aber weit über zweitausend Jahre dauern da diese Methode zwar für unsere Vorstellungen sehr viel Druck ablassen könnten (so viel wie z.B. Jupiter an Masse besitzt) jedoch im Vergleich zu diesem Stern der übrigens vierzig malgrößer war als unsere eigene Sonne wäre das nur ein Bruchteil der nötigen Masse .


Es vergingen so die Jahre und es kam zu einem erschütternden Ereignis, die Sonne hatte massive Eruptionen ausgestoßen und auch extreme Schwankungen im Gravitationsfeld erzeugt .
Durch diese extremen Eruptionen ging kurzzeitig Masse verloren und somit änderte sich die für kurze Zeit auch die Gravitation der Sonne, das ausgestoßene Sonnenmaterial zog in großen Bahnen zurück zur Sonne. Es sah aus wie gewaltige leuchtende Bahnen, dieses Ereignis hatte auf dem Planeten ein Massensterben zur Folge und auch die Natur veränderte sich drastisch, die Rotation des Planeten wurde durch bestimmte Gravitationsprozesse zum Stillstand gebracht …
Dieser Tag im Jahre 3500 ihrer Zeitrechnung hinterließ eine völlig veränderte Welt .

Es gab nun eine Welt die nicht mehr rotierte und somit eine Seite ständig der Sonne zuwandte und eine Seite die für immer von ihr abgewandt war . Es gab noch Überlebende auf beiden Seiten ! Die Sonnenseite war nun extremer Hitze ausgesetzt und auch extrem konstanter Sonneneinstaraalung was eine Zwangsanpassung zur Folge hatte, einige flüchteten auf die Dunkle Seite des Planeten die sich nun stark abkühlte . Es gab dennoch einen Wärmetausch auf dem Planeten der ein Überleben ermöglichte, der Großteil zog an die so genannte Zwielicht Zone die auf der Tag/Nacht Grenze lag, dort gab es noch einen guten Wärme tausch, dort konnte man noch eine Pflanzen und Tierwelt aufrecht erhalten. In der Nachtzone wurden überall Habitate gebaut da nicht alle diesen Fleck aufgeben wollten und weiterhin dort leben wollten, es gab dort noch Zehnmillionen überlebende die sich nun von Jahr zu Jahr immer mehr an diese neue Umwelt gewöhnt . Das gleiche trifft auch auf die Tagzone zu auf der es noch Fünfmillionen überlebende gab die ebenfalls stark reflektierende Habitate gebaut haben die das Sonnenlichtreflektieren konnten, sie bauten auch massive Solarfelder die mehr als genug Energie liefern konnten jedoch entstand sehr schnell ein Wassermangel, einige Ozeane begannen schon zu schrumpfen, sie verdampften einfach und regneten durch die Gürtelwinde die am Äquator verliefen auf der Nachtseite ab . Somit entstand ein Wasserüberschuss auf der Nachtseite.
Beide Seiten mussten sich untereinander austauschen, die Tagseite lieferte Energie durch gigantische Langstrecken Kabelsysteme und die Nachtseite lieferte durch die ebenfalls neu gebauten Pipelines Trinkwasser. Die Zwielichtzone verwaltet diese Transportwege und versorgt beide Seiten mit Nahrung denn auf der Tag und Nacht Seite gab es keine aktive Flora/Fauna Nahrungskette mehr, nur noch im Zwielichtbereich gab es Flora und Fauna .

Wer im Zwielichtbereich lebte war einem ungewöhnlich schönen Anblick ausgesetzt, nämlich einem dauerhaften Sonnen Auf und Untergang so zusagen eine Dauerdämmerung . Ständig in ein rotorange eingehüllt und auf der anderen Seite eine dunkle Wand der ewigen Nacht .
Es gab Treffen wo sich die Habitat und Stadthalter mit Wissenschaftlern Informationen austauschen konnten, im Bereich der Zwielichtzone um über das weitere Vorgehen zu debattieren denn das ursprüngliche Problem bestand weiterhin auch wenn sich die Sonne wieder beruhigt hatte so hatten sie nur noch eine begrenzte zeit vor sich genau wie Antra’ur auch, der Name wurde im Laufe der Zeit übrigens zu Ra’Ur umbenannt da Ant in ihrer Sprache „Wechsel“ heißt und Ra bedeutet „Licht“, Ur bedeutet „Schatten“, da nun kein Wechsel von Licht und Schatten mehr statt fand blieb nur Ra’Ur übrig . Dieses Volk verehrte den Tag Nacht Wechsel so sehr das sie ihrem Planten diesen Namen gaben .
Sie lernten nun eine andere Verehrung kennen, die Tag Seite benannte ihren Kontinent des Lichts in „Ra“ um und die Nachtseite nannte ihren Kontinent der ewigen Nacht in „Ur“ um die Zwielichtzone benannten ihren Tag-Nacht Gürtel in „TalRa’Ur“ um was so viel wie „Ewige Dämmerung' bedeutet . Für den gesamten Planeten wurde der Name Ra’Ur getauft .
Die Welt gewöhnte sich an diese neuen Umstände und sie war kurz vor dem Jahrtausendwechsel angelangt (3998) jedoch gab es auch erstmals Konflikte untereinander, die Bevölkerung ist wieder gewachsen und die alten Wasser Exporte durch die Pipelines reichten nicht mehr aus auch die Solarenergieversorgung wurde unterbrochen um Druck aus zu üben, zwar hatte die Nacht Seite eine eigene Energieversorgung jedoch reichte diese nicht aus . Die Zwielichtbewohner versuchten immer diesen Konflikt zu schlichten jedoch eskalierte dieser Konflikt zu einem Krieg beider Seiten . Die Zwielichtzone versprach sich neutral zu verhalten . Im Zuge dieses Krieges der nicht zum Ziel hatte die andere Seite zu erobern sondern sich die jeweils fehlenden Ressourcen zu erkämpfen zwang beide Seiten zu drastischen Mitteln . Die Lichtseite baute gewaltige schwebende Schiffe mit extremen Lichtanlagen um die Wasserquellen zu erobern und für sich zu sichern, die Nachtseite baute Schwebende Reflektorkuppeln um im Schatten zubleiben auch ihre Soldaten die im Licht kämpfen mussten waren inzwischen extrem lichtempfindlich da es Anpassungsmanipulationen gab damit die Bevölkerung Ur’s sich besser an die ewige Dunkelheit anpassen konnte, die Augen wurden verändert mittels Genmanipulation um im dunkeln zu sehen, die Lichtseite veränderte ihre Haut und Augen so das sie kaum noch lichtempfindlich waren und sogar Temperaturen über 100°C aushalten konnten, am Anfang brauchten sie starken Sonnenschutz doch nun war dies nicht mehr nötig . Durch diesen Krieg sahen beide Seiten das erste mal nach fast 500 Jahren die jeweils andere Seite des Planeten beide waren kaum an die jeweils andere Seite angepasst .
Die Zwielichtzone schaffte es glücklicherweise einen Kompromiss auszuhandeln denn im Grunde wollte keine der beiden Seiten Krieg führen da sich beide auf der jeweils anderen Seite unwohl fühlten und es weitaus größere Probleme gab . Die Zwielichtigen hatten den Vorschlag gemacht das man unterirdisch gemeinsam nutzbare Kanäle unter ihrem Gürtel errichten könnte.

Im Grunde hatten sich in so kurzer zeit extrem viele Dinge verändert und aus einer Spezies die mal eine Zivilisation hatte sind nun 3 verschiedene geworden die immer noch gleiche Wurzeln besaßen und auch ihr Kulturelles Erbe teilten. Auch wenn sich die Technologien immer weiterentwickelten wurden die Aussichten immer hoffnungsloser . Es wurden zwar Raumschiffe gebaut die inzwischen sehr große Distanzen zurück legen konnten aber reichten diese nie für solche massiven Evakuierungen . Auch eine Flucht in benachbarte Sternensysteme wäre viel zu aufwändig, einige Prototypen dieser Schiffe hatten bereits überlichtgeschwindigkeits- Antriebe und entdeckten sogar einige Planeten die über Ökosysteme verfügten . Sehr schnell wurde allen bewusst das sie entweder eine gewaltige Flotte an schiffen bauen müssten was aber aufgrund der extremen Ressourcenknappheit kaum möglich wäre oder das man den Plan zur Flucht gänzlich aufgeben müsse und sich an den Gedanken gewöhnen müsse das die Welt dem Untergang geweiht wäre . Die Seite Ra’s hatte sich sogar an diesen Gedanken angefreundet, ihnen war die Sonne heilig die sie einst beinahe verbrannt hatte . Dennoch sie sagen wir alle sind Kinder der Sterne und unsere Materie stammt aus diesen gottgleichen Fusionskammern dieser gewaltigen Sonnen.
Ur hatte sich vom Sonnenkult abgewandt und sogar eine Abneigung entwickelt, beide Seiten gingen nun auch kulturell immer weiter auseinander jedoch gab es immer noch gemeinsame wissenschaftliche Projekte die immer noch an einer Lösung des zukünftigen Problems arbeiteten . Doch ihnen ging immer mehr auch die Hoffnung des Fortbestehen verloren . Diese 3 Völker haben sich auseinander gelebt und der Großteil der Bevölkerung hat sich sogar damit abgefunden das der Untergang unverhinderbar ist ...

Doch es gab eine völlig neue Bewegung auf Ra’Ur die sich sehr mit dem Gedankenbeschäftigte, diese ganze Sache zu überleben ohne den Planeten zu verlassen, ja nicht mal die Sonne so zu verändern das sie noch einwenig länger existieren könne . Diese Bewegung ist auf der Nachtseite entstanden und sogar einige der Tagseite sind bereit gewesen sich diesem Gedanken zu öffnen . Die Technologien, das Wissen und die Entwicklungen die dieses Volk innerhalb kürzester Zeit erworben haben sollten nie untergehen und nie vergessen werden . Schließlich war es mal ein mächtiges Volk was bereits große Opfer gebracht hatte und nicht wollte das man das Schicksal dieses Volkes einfach vergessen könnte, denn wenn die Sonne Stirbt und ihre Planeten mit sich nimmt dann bleibt nichts materielles mehr in dieser Form übrig ... alles wirklich alles was man erbaut hat, erforscht, entwickelt und erschaffen hat wären dann nichts weiter mehr als Schall und Rauch ...

Diese neue Bewegung hatte großartiges vor ...


Fortsetzung folgt ...



Die Fortsetzung gibt es da -> http://www.allmystery.de/blogs/cRAwler23/raur_fortsetzung_

und da -> http://www.allmystery.de/blogs/cRAwler23/raur_iii__



Würde mich wirklich über Zuleser freuen .
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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeMi 24 Jun 2009 - 20:27

Grade gefunden! Sehr geil! MAGDEWIKI!!!

http://magdewiki.de/wiki/Hauptseite

lol!

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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeFr 3 Jul 2009 - 21:41

So! Ganz exklusiv gibts jetzt für euch, sogar noch vor Hanna, die folgende Geschichte zu lesen. Hintergrund ist eine von mir gegen Hanna verlorene Wette, durch die ich mich verpflichtet hab, eine Geschichte für sie zu schreiben Smile
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Eine Geschichte für Jeden





Schnee. Ewiges Weiß, das die Seele erfrieren lässt. Schnee, der die Glieder lähmt. Schnee, der die Welt unter einer dumpfen, betäubenden Decke verbirgt.

Nankedou öffnete die Tür und trat nach außen. Der frische Schnee unter ihren Füßen machte knarksende Geräusche. Ihr Blick glitt über die weiße Wüste vor sich und sogleich fühlte sie wieder den scharfen, kalten Wind im Gesicht, der sie seit ihrer Kindheit begleitete.

Früher, so durfte man sich in den langen Nächten von älteren Generationen anhören, erstreckten sich hier fruchtbare Wiesen. Grüne Wiesen. Doch weiß ist alles, was geblieben war. Und auch die Erinnerungen sind nichts weiter als Geschichten in den Köpfen der Menschen. Längst gibt es keine Hoffnung mehr auf ein Nachlassen der Kälte.
Dies ist ihre Welt, sie haben darin leben gelernt und was vorher war, hat nur noch in den warmen Räumen langer Nächte einen Nutzen. Wie ein Traumbildnis, für das es in der Realität keine Verwendung gibt.

Nankedou blickte in die Ferne und setzte sich langsam in Bewegung, stapfte durch den Schnee. Jeder Schritt geräuschvoll.
Hinter ihrem Haus begann das Dorf. Weiße Wände, weiße Dächer, weiße Straßen und kleine weiße Rauchschwaden, die aus den Kaminen aufstiegen.
Es war niemand auf der Straße, weshalb das Dorf, wäre der Rauch nicht gewesen, einer Geisterstadt glich. Langsam ging sie weiter in Richtung Zentrum, als sich die Geräusche ihrer Schritte im Schnee verdoppelten. Sie blieb stehen und sah über die Schulter nach hinten. Tarsletu näherte sich.
Er war ihr schon immer ein Rätsel gewesen. Sein Haus befand sich im angrenzenden Wäldchen und er besuchte nur selten das Dorf. Doch bei jedem Besuch begegneten sie sich. Immer der gleiche Ablauf, er kommt lächelnd auf sie zu, gesellt sich neben sie und begleitet sie auf ihrem Weg. So viele Jahre und kein einziges Wort gesprochen. Weder wusste Nankedou, ob er stumm war, noch was ihn dazu bewegte, doch sie genoss seine Gesellschaft und sie schwieg gern.
Links von ihr spähte jemand durch ein Fenster und beobachtete sie. Sie starrte zurück und sah grade noch den verbitterten Gesichtsausdruck, bevor die Gardine zugezogen wurde. Tarsletu trat in ihr linkes Blickfeld, immer noch lächelnd, sie lächelte zurück. Zusammen setzten sie den Weg gemächlich fort.
Vor der Kirche blieben sie stehen. Das Gebäude mit den kleinen Türmchen sah aus wie der Palast einer Puderzuckerwelt.
Dann öffnete sich mit einem Ruck das schwere Holztor und die sonntägliche Kirchengemeinde drängte heraus.
Nankedou und Tarsletu standen wie ein Fels im Fluss der Menschen. Die Vorübergehenden bemaßen sie mit Blicken, schauten abschätzig, einige lachten beim Anblick von Tarsletu.
Nankedou suchte in ihrer Manteltasche nach dem kleinen Sonnenamulett und umklammerte es. Als die Menschen verschwunden waren, traten sie zusammen in die Kirche.
Sie verzogen fast gleichzeitig die Gesichter und ihre Blicke trafen sich, Tarsletu nickte ihr zu.
Überall waren die Heiligenbilder mit Schneeillustrationen versehen – sogar die Jungfrau Maria, mit fallendem Schnee im Hintergrund. Als wenn es draußen nicht schon genug davon geben würde.
Der Pfarrer war schwerhörig und zog sich nach dem Gottesdienst meist sofort in seine Kammer zurück, da diese der einzige beheizte Ort in der Kirche war.
Tarsletu grinste und setzte sich vor die Tasten der Orgel. Sein Spiel begann mit sanften, ruhigen Tönen. Indes schritt Nankedou zur angenagelten Jesusfigur nach vorn. Als sie angekommen war, beschleunigte sich sein Spiel. Sie sah sich noch einmal um, zog dann das Amulett aus ihrer Tasche und legte es dem dornengekrönten Jesus um den Hals. Das Spiel stoppte, ihre Blicken trafen sich erneut und Tarsletu begann ein wildes Geräuschorchester, das wahrscheinlich gereicht hätte, um eine vollbesetzte Kirche innerhalb weniger Sekunden zu leeren. Nankedou legte ihm eine Hand auf die Schulter und nickte Richtung Tor. Er erhob sich und so verließen sie das Gotteshaus mit einem kurzen Blick auf den Gekreuzigten, bevor sie die schwere Pforte schlossen.

Nankedou hatte das schon seit Jahren vorgehabt, aber zur Realisierung hatte sie sich erst entschlossen, als ihre Beobachtungen gezeigt hatten, wie einfach das Unterfangen werden konnte. Die Gemeinde war blind und der Pfarrer taub, sogar im physischen Sinne. Einfach, fast zu einfach, aber eine Überwindung war es trotzdem gewesen. Schließlich würde auch jeder sofort wissen, von wem das Amulett stammte – wenn sie es denn in ihrer Ignoranz entdeckten.

Als sie Tarsletu draußen ansah, bemerkte sie eine Veränderung in seinen Zügen, als ob er mit sich selbst rang. Dann erwiderte er ihren Blick und zeigte zum Ende des Dorfes, in dessen Richtung auch der Wald lag. Sie verstand und folgte ihm durch den Schnee.

Bis jetzt hatte noch niemand die Hütte im Wald zu Gesicht bekommen, und falls doch jemand zufällig auf sie gestoßen war, dann verschwieg diese Person es vehement.
Freude stieg in Nankedou auf, fast war ihr, als könne sie den Schnee unter ihren Füßen mit einem simplen Schritt zum schmelzen bringen.

Es ist erstaunlich, wie schnell Menschen vergessen können und wie leicht sie einem Wahn verfallen. Grad einmal 30 Jahre war es her, dass der Schnee einfach nicht mehr aufhören wollte diese Welt unbarmherzig unter sich zu begraben. Begonnen hat es genau zu der Zeit, in der die durchschnittlichen Höchsttemperaturen immer weiter zu steigen anfingen und die globale Erwärmung in aller Munde lag. Der Schnee wurde als göttliches Zeichen aufgefasst, so als hätte Gott der Welt eine zweite Chance gegeben. Aber in Wirklichkeit ließ er nur den Lebenswillen und den Geist erstarren.

Nach einem viertelstündigen Marsch durch die weiße Landschaft erreichten sie den Waldrand. Tarsletu übernahm nun die Führung. Nankedou war noch nie im Wald gewesen und erkundete während des Laufens die ganzen wundervollen Einzelheiten, die sich ihrem Auge boten. Sie zog einen Handschuh aus und strich mit ihrer Hand über die harte, unebene Rinde eines Baumes. Tarsletu sah es und lächelte ihr zu.
Die Bäume waren schon lange tot und so war der Wald mehr eine bizarre Welt aus eingezuckerten Baumgeistern, die Finger ineinander verhakt und so ein immer dichter werdendes Dickicht formend.

Als sie dann die Hütte erreichten, konnte Nankedou ihren Augen kaum glauben. Mit weit geöffnetem Mund stand sie da und starrte die schneefreie Hütte an. Selbst der Boden in unmittelbarer Umgebung war davon befreit und unglaublicher weise stand neben der rechten Außenwand ein kleines Bäumchen. Ein Bäumchen mit einigen wenigen grünen Blättern.
Es fühlte sich mehr an wie ein Traum, doch sie zwang sich das Gesehene mit ihrem Realitätsbild zu vereinen. Sich wie ein kleines Kind freuend, lief sie zu dem Bäumchen, während Tarsletu hinter ihr blieb und schelmisch grinste.
Dann ging er ins Haus und holte ein langes Kabel und eine Tasche heraus. Nankedou konnte es immer noch nicht fassen, als er ihr die Tasche in die Hand drückte und sich selbst das aufgerollte Kabel über die Schulter legte und sie zum Gehen aufforderte. <Wie ist das möglich?> brachte sie stotternd hervor, aber er sagte nichts, sondern drehte sich nur kurz um und lächelte.
Sie folgte ihm nur widerwillig, fort von diesem Ort und beschritt den Rückweg gedankenverloren.
Richtig zu sich kam sie erst, als sie im Dorfzentrum am alten Brunnen vor der Kirche angelangt waren. Tarsletu legte das Kabel aus und ließ sich dann von ihr die Tasche reichen. Zu Nankedous größter Verwunderung zog er einen Fön aus der Tasche und sie wollte schon schmunzeln, bis sie seinen ernsten Gesichtsausdruck bemerkte – das war kein Scherz.
Er schaltete das Gerät ein, setzte sich auf den Brunnenrand und hielt ihn auf den Schnee vor seinen Füßen gerichtet.
Ein Anwohner ging lauthals lachend vorbei, ein anderer gestikulierte wild und zeigte beiden einen Vogel.

Doch der Schnee begann zu schmelzen, langsam aber stetig.
Nankedous Schock wich einer schlaffen Fassungslosigkeit. Sie setzte sich neben ihn auf den Brunnen, nahm seine freie Hand in die ihre und drückte sie.
Er drehte sich zu ihr um und sagte leise <Mir ist warm.>


sunny

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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeSa 4 Jul 2009 - 16:21

@ Beli


Deine Geschichte erinnert mich an eine Mischung aus einer Romanze und The Day after Tomorrow Very Happy
Die Idee ist schön finde ich, auf eine andere Weise die Umweltveränderung verständlich zu machen .

Hehe auch die Namen klingen irgendwie interessant Wink

Wenn man etwas selbst geschriebenes hier postet kann man auch ruhig schreiben wie man auf die Idee kam Smile


Mal schauen, häppchenweise schreibe ich am IV teil von Ra'Ur weiter .
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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeSo 5 Jul 2009 - 0:48

Hmm... erst wusste ich gar nicht, was ich schreiben sollte... dann bin ich letzten Sonntag zur Arbeit und auf dem Weg dahin sind mir die ersten paar Zeilen eingefallen... auf der Arbeit hab ich dann einfach angefangen zu schreiben und irgendwann hab ich mich dann dazu gezwungen ein wenig Handlung reinzukriegen ;P
Bei den Namen hab ich übrigens nur Buchstaben kombiniert, bis sie mir dann gefallen haben ^^

Gabs bei dir einen bestimmten Auslöser für die Geschichte?

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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeSo 20 Sep 2009 - 21:54

@ Beli

Nun Träume + Fantasie und das Spiel mit dem "Was wäre Wenn" Wink


Eine andere Geschichte
Von einem bekannten in einem anderen Forum geschrieben, Benny Spoon (geht um die Story um Aquanox, erschaffen von Helmut Halfmann)



Aquanox: Mitternacht (Fan-Fiction)


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In Erinnerung an Helmut Halfmann, dem Vater, dem Schöpfer Aquas, RIP

"Wie und warum ich meine Methode, so lange unter Wasser zu bleiben, wie lange ich es ohne zu essen aushalte, nicht aufschreibe...
...und ich will sie nicht veröffentlichen und verkünden wegen der böswilligen Natur der Menschen, die in den Tiefen des Meeres Mord verüben würden, indem sie die Schiffe von unten aufbrechen und versenken würden mit allen Menschen darin."

Codex Leicester, Leonardo da Vinci (1452-1519)


Pro-Log
In den frühen zwanziger Jahren des 21. Jahrhunderts, als die fossilen Brennstoffe auf der Erde zunehmend knapper wurden und ein vorzeitiges Ende der natürlichen Ressourcen mehr und mehr abzusehen war, begannen die Menschen, Jagd auf die noch verbliebenen Rohstoffe auf dem Grund der Meere zu machen. Die meisten Industrieländer errichteten innerhalb kürzester Zeit Tiefseestationen vor ihren Küsten, in denen Ingenieure und Arbeiter anfingen dem Meer mit Hilfe modernster Technologien seine Schätze zu entreißen. Doch die Erträge waren bei weitem nicht ausreichend, um den großen Bedarf der Industrienationen zu decken. Als die Bodenschätze an der Oberfläche endgültig zu Neige gingen, begann eine Zeit der zivilen Unruhe und der um sich greifenden Zerstörung. Im Kampf um die letzten noch vorbliebenen Rohstoffe zerbrachen Bündnisse, entzweiten sich Länder und entbrannten alte Konflikte aufs Neue.

Mit wachsender Grausamkeit und Sinnlosigkeit vernichteten die Kriegsparteien jegliche Lebensgrundlage auf der Erdoberfläche. Nukleare Waffen vollendeten jene flächendeckende Zerstörung, die dem Menschen durch seine industriellen Ausdünstungen bislang nur unvollständig gelungen war. Als schließlich auch der letzte Funken Hoffung auf ein Überleben der Menschheit auf der Oberfläche des Planeten erloschen war, flüchtete man sich in die Tiefen der Ozeane.

Aus den mittlerweile erweiterten Abbaustationen wurden so innerhalb weniger Monate die letzte Zuflucht all derjenigen, die das Glück hatten, den hohen Preis für den Eintritt in die Welt unter Wasser bezahlen zu können. Zurück blieben Millionen der Ärmsten der Armen, zu Tode verurteilt in einer verwüsteten, von Radioaktivität verseuchten Welt. Durch die zahllosen atomaren Explosionen begannen die Polkappen abzuschmelzen, wodurch sämtliche Küstenlinien aufgrund des ansteigenden Meeresspiegel überflutet wurden. Eine mehr als vierzig Meter dicke Schicht aus abgestorbenem organischen Material, die sogenannte POM-Schicht, bedeckte von nun an die Meere. Sie umschloss die nördliche Halbkugel wie ein gespenstisches Leichentuch. Der massive Einsatz von Kernwaffen sorgte zudem dafür, dass sich ein dichter Partikelgürtel um den gesamten Erdball legte, den kein Sonnenstrahl zu durchdringen vermochte. Die Folge war ein nuklearer Winter, der dem Leben auf der Oberfläche den endgültigen Todesstoß versetzte.

Heute, im Jahr 2667, lebt die Menschheit in gigantischen Städten unter Wasser. Im Laufe der letzten sechshundert Jahre haben sich die alten Machtblöcke der Oberflächenzeit mehr oder minder unverändert wieder stabilisiert. Die Welt unter Wasser teilt sich auf in die Aquatorien der kapitalistischen Demokratie der Atlantischen Föderation, die oligarchisch verwaltete arabische Clansunion und das monarchistisch regierte russo-japanische Shogunat. Außerdem hat sich in der von wilden Stürmen und Unwettern an der Oberfläche zerwühlten Tornado Zone im Südostpazifik ein anarchistischer Haufen aus Söldnern, Piraten, Freibeutern und Gesetzlosen angesammelt. Immer dazu bereit, gegen ein entsprechend hohes Honorar Freund und Seele zu verkaufen. Hinzu kommen die freien Gebiete des argentinischen Beckens und des Golf von Florida, Heimat der EnTrOx Corporation, des mit Abstand mächtigsten Konzerns unter Wasser.

Die Menschheit versank in einer Finsternis ohne Geschichte. Und doch erhob Sie sich ein letztes Mal zu neuem Leben. Dem einzigen Leben in einer ansonsten toten Welt. Diese Welt war des Menschen Schöfung, und er taufte sie AQUA.


I.
Commander Geneviève Marie Beauvoir stellte ihre Kursanzeige auf das Brasilianische Becken ein und lächelte befriedigt, als das Routen-Diagramm in Form von blaueingefärbten Icons auf ihrem Heads-up-Display erschien. Der Konvoi, den es noch eine ganze Weile zu beschützen galt, bestand aus drei altersschwachen Transporterschiffen der Skamandros-Klasse und fünf Scouts der Atlantischen Föderation. Sie würden den vereinbarten Nav-Punkt zwar mit einiger Verspätung erreichen, aber dennoch deutlich innerhalb der akzeptablen Parameter. Jedoch nur, wenn bei keiner der rostigen Klapperkisten von Transportern noch einmal eines der Hauptschubwerke ausfiele. Eine derartige Verzögerung würde den Einsatzplan ihres geschwaders endgültig über den Haufen werfen.

Das Brasilianische Becken war an manchen Stellen bis zu 6.537 Meter tief und bestand aus einem großen Nördlichen- und einem kleinen Südlichen Becken. Es lag zwischen dem Südausläufer des Nordatlantischen Rückens im Norden, dem bis 7.730 Meter tiefen Romanchegraben im Nordosten, dem Nordausläufer des Süd-atlantischen Rückens im Osten, der Rio-Grande-Schwelle im Süden und dem südamerikanischen Kontinentalrand im Westen. Es war ein weitgehend unabhängiges Aquatorium, allerdings unterhielt die Atlantische Föderation aus strategischen Gründen mehrere befestigte Außenposten in diesem Gebiet.
2044 beschlossen die Nationen, die aus den Versuchsstationen der ehemaligen NATO-Staaten der Oberflächenzeit entstanden, aber lediglich locker als nordatlantisches Bündnis organisiert waren, eine noch engere Zusammenarbeit zu pflegen, die im Jahre 2112 in der Gründung der Atlantischen Föderation gipfelte. Den Anlass dazu lieferte das zwei Jahre zuvor von Long Guiwen errichtete Konduktat im nordwestlichen Pazifik, das im Jahre 2178 von dessen einzigen Sohn Long Akira erfolgreich in ein bis heute, im Jahr 2667, bestehendes streng monarchistisch-militärdiktatorisch orientiertes Shogunat umgewandelt wurde. Auch der später als Clansunion bekannt werdende Machtblock im indischen Ozean, bereitete den nordatlantischen Nationen Sorge.
Die Regierung, ein demokratisch gewähltes Parlament, an dessen Spitze der Präsident der Föderation stand, sollte mit Unterstützung zahlreicher Ministerräten, Ausschüssen und Oppositionsparteien den Erhalt demokratischer Grundprinzipien gewährleisten.
Als Konduktor Long im Jahre 2135 durch die Errichtung eigener Kernreaktoren den Vertrag zur weltweiten Kontrolle und Nutzung der Kernfusion brach, begann in der Atlantischen Föderation eine allgemeine Aufrüstung und die konzerngesteuerte Gründung schlagkräftiger Söldnerheere. Das Prinzip von Kosten und Nutzen regulierte fortan nicht nur die Wirtschaft, sondern auch die Armee. Soldaten standen generell gut im Sold, wurden kostspielig ausgebildet und an strategisch wichtigen Punkten in Aqua stationiert. So wie Commander Beauvoirs Geschwader am Rand des Brasilianischen Beckens.
Seitdem sah sich die Regierung in Neopolis, der Hauptstadt der Atlantnischen Föderation, im Gegensatz zu der Militärdiktatur des Shogunats und der Vetternwirtschaft der Clansunion, als alleinige demokratische Weltmacht, welche den Erhalt der Menschenrechte und die Freiheit des Individuums verteidigte. Aber der Glanz dieser vergangenen Zeiten war bereits seit Jahren am abstumpfen.

Nach Ende der zu Beginn des 27. Jahrhunderts ausgebrochenen Protektions-Kriegs zwischen der Atlantischen Föderation und des Shogunats und der anschließenden Friedenskonferenz von New Bombay im Jahre 2650, regte sich siebzehn Jahre später eine neue politische Strömung in Neopolis. Neue, junge Politiker aus den technokratischen Hochschulen der Konzernwelt verdrängten die behäbig und träge gewordenen Haudegen der Alten Garde. Neue Schlagworte machten schnell die Runde: Transhumanes-Bio-Engineering, Anti-Schlaf Gesetze, Kryonik, Konnektionismus, gelockerte Schusswaffengesetze innerhalb und außerhalb aller Habitate, sowie Lohnkostensenkung. Diese sogenannten neuen Putschdemokraten waren eine technikgläubige Fraktion ohne jedes soziales oder humanes Gewissen. Ökonomisch fixiert, ökologisch gleichgültig. Sie nannten sich selbst die Neuen Linie.
Innerhalb weniger Wochen war ein Regieren schier unmöglich geworden. Die Wahlen wurden ausgesetzt und der Bürgermeister durch eine dem Militär nahestehende Interimsregentin ersetzt. Die streikende Bevölkerung war tief gespalten. Den Jüngeren gefiel der Gedanke an einen versprochenen Quantensprung der Technologie und einem Evolutionssprung zum Transhumanen Wesen, während die Alten die wahren Probleme der Atlantischen Föderation sahen: Stagnierende Wirtschafslage, Lohnkrise, Terror-Toursismus, und die zunehmende Verschmutzung der Habitate.
Das war auf den Tag genau vor einem Jahr gewesen. Seitdem hatte sich die Situation innerhalb der Föderation nicht wesentlich gebessert. Zwar war die Neue Linie im Zuge eines bewaffneten Konfliktes aus der Hauptstadt vertrieben worden, dennoch besaß sie nach wie vor zahlreiche Anhänger innerhalb der Bevölkerung und des Militärs. Zwar konnte ein Bürgerkrieg in letzter Minute durch den wohl berühmtesten Söldner aller Zeiten, Emerald „Dead-Eye“ Flint, verhindert werden, aber die Frage war wie lange noch.
Vorsichtig fuhr Commander Beauvoir mit ihrem schlanken Finger eine auf einem kleinen Seitenmonitor ihrer breiten Steuerkonsole angezeigte Patrouillen-Strecke entlang. Die Scouts der neuen Nereus-Klasse aus der berühmten Werft von Lockheed & Ingalls Constructions mußten den Konvoi bis zu ihrer Ablösung an der noch 450 Kilometer entfernten Rio-Grande-Schwelle eskortieren. Die Patrouillen entlang der festgelegten Route konnten allerdings erheblich gekürzt werden, falls das Geschwader doch noch Zeit gutmachen mußten.
New Martim Vaz, das größte Wohn- und Bergwerkhabitat im Brasilianischen Becken, konnte ohne die reichen Zollerträge aus dem Warenverkehr zwischen Neopolis und dem Südatlantik nicht lange überleben. Selbst in diesen unruhigen Zeiten gab es noch genug Schiffe, welche die Nord-Süd-Route passierten. Deswegen sorgte der Geleitschutz einiger atlantischer Scouts in dieser Gegend kaum für Aussehen.

Die Nereus, der neue Scouttyp mit dem das Geschwader erst vor kurzem ausgerüstet wurde, war ein direkte Weiterentwicklung der mittlerweile veralteten Gator-Klasse, eines für seine extrem hohe Geschwindigkeit und verhältnismäßig gute Panzerung bekannten Schiffstyp aus der Zeit vor den Bionten-Kriegen.
Bionten waren vor sechs Jahren überall sozusagen aus dem Nichts aufgetauchten, mit dem klar definierten Ziel die Spezies Mensch aus den Ozeanen zu tilgen. Seit der Zerstörung des Survion, ihres Brückenkopf vor Australien, im Jahre 2661 war es verdächtig still um diesen geheimnisvollen Gegner geworden.
Bis heute weiß niemand so genau, um wen es sich eigentlich bei den Bionten handelt. Es gab nur selten Kommunikation zwischen ihren unheimlichen schwarzen Booten und dem Rest der Welt. Bestätigten Berichten zufolge loogten sich vereinzelt Bionten in die Bordcomputer einiger Schlachtschiffe ein und bekräftigten dort ihre Absicht, die Menschheit komplett auszulöschen, damit sie im Wasser, zu Lande und in der Luft an mehr Lebensraum gewännen.
Nachdem es schließlich doch noch gelungen war, einige kleinere Kampfschiffe der Bionten zu entern, war die Überraschung unter den Anwesenden entsprechend groß: die Boote hatten überhaupt keine Besatzung. Sie wurden allesamt von einer Art neuronalen Gewebestruktur, einem biotechnischen, rudimentärem Gehirn, gesteuert. Dieses Pseudo-Hirn bestand nur aus motorischen und sensorischen Nervenzentren, welche die unglaublich schnellen Reflexe und Anpassungsmöglichkeiten der Bionten erklärte. Es waren spezialisierte Gehirne ohne menschliche Eigenschaften, dafür aber hocheffizient in Sachen Orientierung, Neuro-Feedback, Reaktionsgeschwindigkeit und Bewegung im dreidimensionalen Raum.
Die Vernichtung der Mutterstruktur, mit der alle Biontenschiffe auf der gesamten Welt scheinbar in einer Art Zentralverbund vernetzt waren, galt bislang als der entscheidende Schlag gegen diesen Feind der gesamten Menschheit. Commander Beauvoir war damals dabei.
Niemals würde sie den Anblick der wie hilflos im Wasser treibenden schwarzen Boote vergessen, die so lange Angst und Schrecken verbreitet hatte. Es war ihr ein schon beinahe perverses Vergnügen gewesen, jedes einzelne von diesen Monstern so lange mit ihren Plasmawaffen zu beharken, bis es schlussendlich auseinanderbrach. Noch heute schwört sie jeden Eid, dabei eine Form von langgezogenen, kaum hörbaren Schrei vernommen zu haben.

Ihr brandneuer Scout war im Gegensatz zu damals mit einem Dipolantrieb ausgerüstet, welcher die spezielle chemische Dipol-struktur der Wassermoleküle ausnutzt und dadurch eine Spitzen-geschwindigkeit von 900 km/h ermöglicht. Allerdings nur für eine verhältnismäßig kurze Zeitspanne. Andernfalls würde aufgrund der extremen Beanspruchung des Generator ein Ausfall infolge völliger Überhitzung drohen. Lediglich den Reaktoren innerhalb von Sprungschiffen, Großkampfschiffen und einigen wenigen modernen Bombertypen gelingt eine entsprechend konstante Energiezufuhr des Antriebes. Diesen Schiffsklassen allein ist es vorbehalten pfeilschnell durch die immerwährende Nacht Aquas zu gleiten.
Commander Beauvoir lehnte sich zurück in ihren Pilotensessel aus bequemen, schwarzen Nanogewebe und freute sich darüber, dass sie bei dieser Mission heute kaum noch mit Problemen konfrontiert werden würde.
Wenn man das Problem mit dem miserablen südamerikanischen Algenkaffee in der Kantine nur genauso leicht erledigen könnte. Man sollte den verantwortlichen Versorgungsoffizier ins nächste Dock sperren, die Schleuse weit öffnen und den in diesen Tiefen herrschenden Durchverhältnissen den Rest überlassen. Aufgrund der chaotischen Situation im Flottenhauptquartier würde das sehr wahrscheinlich sogar keiner mitkriegen. Leider musste sie diesen höchst amüsanten Gedanken vorerst zur Seite schieben. Als Geschwaderführerin musste sie sich zuerst auf das konzentrieren, was direkt vor ihr lag. Den Babysitter für diese drei schwimmenden Särge und ihre Crew aus Verdammten zu spielen. Schließlich war sie bereits entsprechend entlohnt worden.
Im Gegensatz zum Militär waren die meisten Konzern in Bezug auf ihre „Spendengelder“ für erledigte Gefälligkeiten alles andere als geizig . Ihr jetziger Auftraggeber, dessen Identität ihnen bei der Einsatzbesprechung vom Captain ihres Stützpunktes allerdings nicht offenbart worden war, hatte ihrem Geschwader freundlicherweise die fünf Scouts der Nereus-Klasse zukommen lassen. Zwar war eine solche Großzügigkeit keineswegs üblich, aber durchaus hin und wieder vorgekommen. Vermutlich wollte man später noch einmal auf sie zurückgreifen. Sollten sie ruhig. Ihr Vorgesetzter würde schon dafür sorgen, dass alles zum Wohle und im Namen der Wirtschaftlichkeit der Atlantischen Föderation stattfand. In dieser Hinsicht machte sich Commander Beauvoir keine Sorgen.

Eskortdienst für nicht einmal eine Handvoll Transporterschiffe einer namenlosen Tochterfirma irgendeines Großkonzerns war ein typischer Routineeinsatz innerhalb der trübsinnigen Gewässer des Brasilianischen Beckens - lang und langweilig. Geneviève hatte bereits zwölf Jahre an den verschiedensten Fronten Aquas als aktive Kampfpilotin des Atlantischen Heeres überlebt, und war nun knapp zwei Jahre lang im Garnisonsdienst tätig. Hier, an der sogenannten Randzone, in absehbarer Distanz zum Kernaquatorium der Atlantischen Föderation, aber immer noch weit genug von jeder Art von Abschaum entfernt, herrschte relativer Friede. Die anarchoverseuchte Tornado Zone war noch weit genug entfernt, die Freaks der ehemaligen Piratenfestung Gibraltar besiegt und Crawler suchten immer wo anders Beute. Das Kommando über ein Patrouillen-Geschwader in einem drittklassigen Außenposten irgendwo im Nirgendwo war die perfekte Aufgabe für den Commander, noch ein paar Konzern-prämien abzustauben, und ihre Karriere langsam aber sicher ausklingen zu lassen, um sich auf den wohlverdienten Ruhestand im prächtigen Neopolis vorzubereiten.
Die gesamte Atlantischen Föderation war nach wie vor von der wirtschaftlichen Stagnation befallen, aber in der Hauptstadt selbst brodelte das Leben. Dort bekam man für genügend Credits alles was das Herz begehrt. Es gab alle Formen der Herrlichkeit Aquas. Luxusgegenstände aus der Clansunion, Nahrung und Technologie aus dem Shogunat, Drogen aus der Tornado Zone. Wenn genug Credits durch genügend Hände geflossen waren, zeigte Neopolis sein wahres Gesicht: das Sodom der Biskaya.
Commander Beauvoir grinste breit. Es stand ihr zu, gelangweilt zu sein. Sie genoß es regelrecht. Trotzdem machte sie es sich zum Prinzip, bei der Personalabteilung regelmäßig Beschwerde über die ihr zugeteilten Missionen einzulegen. Und das Ausbleiben ihres Soldes. Die Etappenhengste in der Personalverwaltung des Flottenhauptquartiers würden ganz bestimmt einen kollektiven Zerebralinfakt erleiden, wenn sie den Eindrück hätten, dass irgendein Offizier mit einer ihm zugeteilten Aufgabe glücklich sei könnte.
Die Vorhut des Geschwaders, bestehend aus Viper und ihrem Flügelmann, Arrow, waren beide bereits der Spitze des Konvois vorausgefahren. Beauvoir Führungsscout blieb über der Flanke des führenden Transporters zurück, jederzeit bereit, eventuelle Gegner abzufangen, die sich von vorne oder seitwärts an den Konvoi heranarbeiteten.
Sie warf einen Blick zurück auf die beiden verbliebenen Mitglieder ihres Geschwaders. Bullseye hielt eine weite Backbord-Position hinter und etwas unterhalb des zentralen Transportschiffes. Flash hatte sich steuerbords weiter zurückfallen lassen und bildete die Nachhut. Der Commander aktivierte mit einer kurzen Bewegung ihres Unterkiefers den sensoraktiven Kommunikationskanal des Geschwaders, der in ihrem Cockpit eingebaut war. Dieser reagierte umgehend auf das in ihrem Kopf befindliche Mensch-Maschine-Interface. Mittlerweile hatte sich fast jeder erwachsene Atlantaner eines dieser extrem praktischen MIM-Geräte in den Temporallappen seines Gehirnes einpflanzen lassen. Andere standen auf die elegantere Synapsenkommunikation. Die Wissenschaftler der berühmt-berüchtigten Machina Antarctica, die Technomagier und Hexenmeister der Genetik, Kybernetik und Biotechnik, hatten hochempfindliche Lorenzische Ampullen von Megahaien für den menschlichen Gebrauch gezüchtet.
Elektroimpulse wurden von einer Synapsenstation zur anderen weitergeleitet. Das ging am besten in der SOFAR Schicht, wo warmes und kaltes Wasser aufeinander traffen. Es bedeutete Kommunikation auf neuroakutischen Weg. Von diesem ganzen neumodischen Schnick-Schnack hielt Beauvoir jedoch herzlich wenig. Sie räusperte sich:
„Statusbericht“, sagte sie.
„Generatorleistung bei Dreiundachtzig Prozent“, erwiderte Viper.
„Zweiundsiebzig“, von Flash.
„Sechsundachtzig“, antwortete Bullseye.
Nach einem kurzen Moment Schweigens meldete sich auch der Neuzugang Arrow.
„Generatorleistung bei vierundsiebzig Prozent, Ma’am.“

Geneviève war sehr zufrieden. Flügelmänner verbrauchten für gewöhnlich mehr von der in Energiezellen gespeicherten Energie ihres Klasse-IV-Generators als ihre Leitpiloten, und Viper hatte Arrow ziemlich durch die Gegend gescheucht. Es amüsierte sie auf fast zynische Weise, dass ihr Talent, stets mit vollen Zellen, kaum abgefeuerten Torpedobänken und größtenteils unbeschädigt zurückzukehren, im Offiziers-Leistungsbericht der letzten Woche so hochgelobt wurde. Ihre Vorgesetzten, die allesamt wie sie Gefechtsveteranen waren, und die es eigentlich besser wissen müssten, schrieben im OLB mehr über ihre Fähigkeiten, mit knappen Ressourcen haushalten zu können, als darüber, wie gut Commander Beauvoir ihr Geschwader ausbildete oder es in den Kampf führte.
Der Krieg mit den Bionten war jetzt seit knapp sechs Jahren zu Ende, und es schien ihr, als schickte sich das Flottenkommando an, all das zu vergessen, was sie seit der ersten Schlacht gegen das Shogunat vor mehr als vierzig Jahren und dem letzten Konflikt vor nicht einmal einem Jahrzehnt gelernt hatte. Sie wußte, dass es sie eigentlich nicht überraschen dürfte, wie schnell sich die Schwerpunkte nach dem Krieg verlagerten. Der Bau einer Flotte sorgte für Arbeitsplätze und konnte gegenüber einer Regierung, die allein auf das Wohlergehen der Wirtschaft der Föderation fixiert war, sehr leicht gerechtfertigt werden.
Nachschub, Einsatzbereitschafts-Budgets und Ausbildungsetats trugen nicht merklich zur regionalen Arbeitsbeschaffung bei. Daher konnten sie in vielen Fällen problemlos gekürzt werden. Das Resulat war dann, dass im Beförderungsfall ein Offizier, der wußte, wie man Credits spart, wettbewerbsfähiger war als einer, der wußte, wie man im Kampf Leben rettet. Diese Binsenweisheit hatte sich in der Atlantischen Föderation über Jahrhunderte gehalten. Bedauerlicherweise.

Die Stimme von Viper rauschte in Beauvoir Empfänger und riss den Commander aus ihren Gedanken. Die Pilotin erteilte dem Rekruten des Geschwaders, Arrow, gerade eine Einweisung in die vielen Feinheiten einer Patrouillenfahrt und unterrichtete ihn im Detail über die passende Nahkampftaktik in verschiedenen Situationen. Das tägliche Brot eines Verteidigungsgeschwaders entlang der Randzone.
Lieutenant Abigail Chambers hatte ein Wunder damit vollbracht, wie sie das neuste Mitglied des Geschwaders in fantastisch kurzer Zeit auf Trab gebracht hatte. Der Commander war froh, dass sie das Risiko mit ihr eingegangen war. Viper hatte sich etliche Male den Mund verbrannt und somit bereits während des Krieges ihre Aussichten auf Beförderung hoffnungslos zerstört.
Commander Beauvoir hörte sich die kurzen Instruktionen an, die Abigail Arrow gab, und wie sie dann ein paar leichte Korrekturen machte, als der Rekrut versuchte, die Anweisungen korrekt auszuführen. Ihr üblicher Sarkasmus verschwand, als sie mit dem jüngeren Piloten arbeitete. Geneviève grinste in sich hinein.
Sie hatte nicht erwartet, dass Viper eine solch energische Ausbilderin sein würde. Sie nahm sich vor, in Abigails nächsten OLB unter dem Abschnitt „Kommentare“ einen Satz voll des Lobes hinzuzufügen. Ein freundliches Wort von ihr in der Rubrik „Kommt gut mit anderen zurecht“ könnte vielleicht ausreichen, um eine Militärkommission davon zu überzeugen, dass Viper in der Lage war, die Aufgaben eines Lieutenant-Commander zu erfüllen, denn sonst würde sie in spätestens einem Jahr mit der Begründung „Übermäßiges Verweilen in einem Dienstgrad“ entlassen werden.
Der Rekrut, Ensign Giovanni Valdarno, hatte eine ausgezeichnete Hand, gute Instinkte, und ein relativ gutes Auge für reaktionsträge Torpedos. Er würde eine großartige Bereicherung für das Geschwader sein, sobald er sein Training abgeschlossen hatte. Lediglich seine Arbeitseinstellung bedurfte eines Feinschliffs. Im Kopf des einundzwanzigjährigen Jungen tanzten Vorstellungen von waghalsigen Missionen von Schlachtschiffen aus herum. Die Realität der Pflichteinsätze in einem abgelegenen Gebiet wie zum Beispiel das Brasilianische Becken war für ihn nur schwer zu verkraften, besonders da er sich als einsamer Neuling in einer Gruppe von abgehärteten Veteranen verstand.
Commander Beauvoir wußte, dass sich der Junge über die Tatsache ärgerte, dass er nicht früh genug auf die Welt gekommen war, um seinen Teil zum Krieg gegen die Bionten oder das Shogunat beizutragen. Er erinnerte sie an all die Draufgänger, deren Traum vom Ruhm oft damit endete, dass ein leerer Sarg dem Meer übergeben wurde. Ihr Streben nach Anerkennung wurde nicht selten zu einem Namen, der auf einer Gedenkwand oder einem Krug in einer der vielen Pilotenkneipen eingraviert war und zu einer Medaille, die man bekam, wenn das Opfer durch extrem hoch erhitztes Plasma in seine Bestandteile atomisierte wurde, und es einfach nichts mehr gab, das man noch nach Hause schicken könnte.

Als der Navigations-Anzeiger des Commanders piepste, wandte sie den Kopf zum Seitenmonitor und verlegte die Anzeige durch einen kurzen Tastenbefehl auf das Heads-up-Display vor sich. Die Aquidneck II driftete schon wieder. Beauvoir wählte sich gedanklich mit Hilfe des MIM durch das Kommunikations-Menü, bis sie den Kanal der Aquidneck gefunden hatte.
„Esox-Geschwaderführer an Aquidneck II“, sprach sie, in der Hoffnung, dass ihre Stimme ihre immense Verärgerung nicht verraten würde.
Der links über der Steuerkonsole angebrachte Kommunikations-Bildschirm flackerte, und anstelle des Menüs erschien jetzt der Kapitän der Aquidneck II, ein fettbäuchiger Mann mittleren Alters mit ziemlich aufgedunsenen, stoppelbärtigen Gesicht.
Beauvoir kannte ihn seit der Einsatzbesprechung nur unter dem Namen Rice.
„Rice hier. Was gibt’s? Was woll’n Sie denn?“, fragte er sie mit einer mürrischen, aufgebrachten Stimme. Sein Gesichtsausdruck ließ ziemlich klar erkennen, dass der Commander ihn wohl mitten in einem kritischen Manöver mit seinem Schiff unterbrochen hatte. Nach dem Dreck zu urteilen, den sie an dem Stahlwand hinter ihr sah, gehörte Sauberkeit nicht gerade zu den höchsten Prioritäten auf seinem Schiff.
„Kurs angleichen, damit er mit dem des Konvois übereinstimmt“, teilte Kommunikations-Menü kurz und knapp mit und dachte gleichzeitig, dass dies für einen Zivilisten vielleicht ein kleines bißchen zu herrisch klang, sogar in ihren eigenen Ohren. Daher versuchte sie es gleich nochmal mit einem etwas milderen Tonfall.
„Sie driften schon wieder. Ich habe Ihnen schon mal gesagt, dass wir Sie nicht schützen können, wenn Sie zu weit vom Kurs abkommen. Hier gibt es einfach zu viele Verwerfungen.“
„Und ich hab’ Ihnen auch schon mal gesagt, Commander“, schnautzte der alte Seebär, während er seine Achselhöhle kratzte, “dass ich nicht weiß, wovor Sie uns eigentlich beschützen woll’n. Hier an der Trindadeschwelle gibt’s doch absolut nix außer Ihnen und mir. Ich weiß nich’, warum ihr Neo-Spielzeugsoldaten immer noch ehrliche Bürger belästig’n müsst. Der Krieg is’ doch längst vorbei, oder?“
Beauvoir seufzte. Der übellaunige Kapitän der Aquidneck II starrte sie trotzig aus zusammengekniffenen Schweinsäuglein an. In Momenten wie diesen vermißte sie doch tatsächlich den Krieg. Denn im Krieg hätte der Commander sich jetzt einfach auf die Notverordnung bezüglich „Befehlsverweigerung“ berufen können und hätte den dämlichen Fettsack, wenn er ihr dumm gekommen wäre, einfach kaltmachen können. Das Kriegsrecht hatte auch seine guten Seiten, fand sie.

Beauvoir war immer noch dabei, eine höfliche Antwort für den Mistkerl zu formulieren, als Arrow sich mit erregter Stimme über den Geschwaderkanal meldete.
„Arrow an Ladyhawk.“
Sie lächelte nachsichtig ob der Aufregung des jungen Rekruten.
„Ich habe da was auf meinem Sonar. Ein roter Punkt. Ganz in der Nähe. Warten Sie... jetzt ist er weg!“
Commander Beauvoir runzelte die Stirn, als sie das Display ihres taktischen Sonarschirms am oberen Rand ihres 180° Cockpits betrachtete. Ein loses Büschel Seetang oder Treibgut wäre nicht so einfach verschwunden. Geneviève vermutete, dass der Junge irgendeinem Schatten auf dem sedimentbedeckten Meeresboden hinterherjagte.
„Verstanden, Arrow“, erwiderte sie.
„Überwachung aufrechterhalten. Geben Sie mir sofort Bescheid an, wenn das noch einmal vorkommt.“ In Gedanken versunken klopfte sie gegen den zu ihrer Konsole gehörenden Steuerknüppel. Arrow war den Transportern voraus und befand sich backbords, Viper befand sich steuerbords. Es war höchst unwahrscheinlich, dass Arrow ein Sonar-Signal empfangen konnte, das außerhalb von Abigails Reichweite war.
Kavitation, also das Bilden und Auflösen von Hohlräumen in einer Flüssigkeit durch Druckschwankungen, wie etwa die Entstehung von Luftbläschen durch die Schiffsschraube eines schnellfahrenden Bootes, verursacht unter Wasser in der Regel ein starkes Geräusch, dass man leicht Orten konnte. Allerdings konnte man im 27. Jahrhundert mit Hilfe eines Silator die Maschinengeräusche eines Bootes dämpfen. Zudem gab es auch in manchen Teilen Aquas schallreduzierende Außenbeschichtungen. Dadurch waren potentielle Gegner schwerer zu orten. Dieses Technologie stand allerdings nur fortschrittlichen Aquatorien zur Verfügung.
Der Commander wechselte den Kanal auf Abigails Frequenz. „Ladyhawk an Viper.“
Vipers Gesicht erschien auf dem Bildschirm. Ihr Kopf bewegte sich hin und her, während sie das umherliegende Gebiet absuchte. „Ich weiß, was Sie mich jetzt fragen wollen, Commander“, gab die Kampfpilotin mit nachdenklich wirkenden Tonfall von sich. „Nein, ich habe nichts gesehen.“
Abigail hielt für einen kurzen Moment inne.
„Möchten Sie, dass er es abfängt? Das wäre sicher eine gute Übung.“
Beauvoir zog es in Betracht. „Nein, lieber nicht. Die Typen vom Logistikbüro haben in diesem Quartal bereits schon einmal die Neuzuteilung von Energiezellen und Hydraulikflüssigkeit gekürzt. Wir brauchen die wenigen Wartungsmittel, die wir noch Zuhause haben dringender, als er diese Übung.“
Über Vipers ebenholzfarbenes Gesicht zog ein dunkler Schatten. „Knausrige Schweinebande. Der Crawler-Vorfall in Neopolis ist kaum ein Jahr her, da haben die schon wieder angefangen, uns das Budget zu kürzen.“
Commander Beauvoir sagte nichts. Sie gab ihr recht, ließ sich jedoch nicht dazu hinreißen, ihre Vorgesetzten auf einem abhörbaren ELF-Kanal zu kritisieren. Es gab zuviele arbeitslose Offiziere, die sich ihre Hintern am Tresen einer billigen Kascheme platt saßen, als dass Geneviève. sich irgendwelche Illusionen machen konnte. Ein falsches Wort zur falschen Zeit und man war schneller raus als man seinen Abschied einreichen konnte. Unehrhafte Entlassung bedeutete nicht nur den Verlust aller noch ausstehender Prämien, sondern auch des Anspruchs auf eine ordentlichen Pension.
„Behalten Sie es im Auge“, befahl Geneviève.
„Es war sicher nur eine Sonar-Reflektion oder ein Pseudo-Echo. Kein Wunder bei all den Felsen und Canyons da draußen. Der gesamte Boden hier ist bedeckt von Sedimentgestein. Höchst wahrscheinlich, weil wir uns der Rio-Grande-Schwelle nähern. Die vulkanische Aktivität der dortigen Hotspots sorgt für eine entsprechende Bodenbewegung. Bleibt vorerst wachsam. Man kann ja nie wissen. “
„Verstanden“, erwiderte Viper.
Sie versuchte ihr Gefühl, dass hier irgendwas nicht stimmte, zu unterdrücken. Arrows Kontakt beunruhigte den Commander sehr. Der Sensor von Giovannis Klasse-III-Sonar war nagelneu, in gutem Zustand und relativ gut gewartet. Anomalitäten waren natürlich nichts Ungewöhnliches und hier schwebte jede Menge freies POM herum. Aber etwas passte hier ganz und gar nicht.
Das Brasilianische Becken war so berechenbar und langweilig wie die Frühstückseier in der Kantine. Ungewöhnliche Vorkommnisse gab es hier einfach nicht.

Commander Beauvoir schüttelte ihren Kopf und ein paar blonde Strähnen fielen ihr ins Gesicht. Sie schob die Haare elegant mit ihrer Hand zurück und warf einen erneuten Blick auf das Heads-up-Display. Der noch immer angezeigte Navigations-Anzeiger informierte sie darüber, dass die Aquidneck II mittlerweile wieder in die Formation des Konvois zurückgekehrt war.
Geneviève überprüfte mit kritischen Blick den Systemstatus ihres Schiffes. Kinetischer und EMP-Schild zeigten beide einhundert Prozent Leistung. Ziel- und Ortungsvorrichtung waren ebenfalls in Ordnung. Kompass, Neigungsmesser, Tiefenmesser, alle drei zeigten korrekte Werte an. Der Geschwindigkeitsmesser schien auch genau zu funktionieren. Der Eigengeräuschmesser ließ sie wissen, dass sie aufgrund ihrer durchgependelten Lage für passive Ortung kaum zu erfassen war. Antriebsstatus und die Anzeige der Generatorenleistung machten deutlich, dass der Dipolantrieb volle Leistung brachte. Ein zusätzliche Scanroutine sollte herausfinden, ob der augenblickliche Sensorstatus tatsächlich der Wahrheit entsprach, oder nicht. Das würde aber ein paar Minuten dauern. Erst jetzt würde sich Commander Beauvoir ihrer übervorsichtigen Handlungsweise bewusst. Der Junge hatte sich möglicherweise in etwas hineingesteigert und machte nun den gesamten Konvois nervös. Es war bestimmt nichts weiter. Es konnte einfach nicht sein. Nicht hier. Nicht so weit draußen.


Fortsetzung folgt ...
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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeFr 8 Okt 2010 - 19:51

Hier ma eine Kurzgeschichte sehr witziger Art. In meinen Augen sehr geil geschrieben und auf alle Fälle wert sie mal zu lesen. Wer also Zeit und Muse hat sollte ma loslegen.

http://scara.com/pagels/evabraun.html

Horst Pagels

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HORST PAGELS:ICH WAR EVA BRAUN

Ich denke ,Sie kennen mich.
Ich denke ,Sie haben regen Anteil genommen an meinem Leben und ich melde mich hiermit zurück,nach einer langen Phase der Selbsterkenntnis.
Nach der Lösung des letzten Falles(H.P. Unterwegs in eigener Sache)war ich seelisch ziemlich mitgenommen.Ich hatte sozusagen meine Kindheit auf- gearbeitet und meine Familienverhältnisse geklärt.Danach hatte ich mich von meinen Eltern verabschiedet und war nach Hause gefahren.
Dort hatte ich eine sehr lange Zeit in Ruhe und Askese verbracht.
Mir waren all diese weltlichen Dinge leid geworden und ich beschloss mich nun endlich selber zu finden.
Direkt nach der Rückkehr von meinen Eltern hatte ich die Fenster verhängt und mein Bett in der Mitte des Wohnzimmers auf dem Fußboden vor dem Fernseher aufgeschlagen.
Die Haustür stand in diesen Tagen immer einen Spalt breit offen und so konnte von Zeit zu Zeit ein Servicejunge herreinkommen um mir ein wenig essen ans Bett zu reichen und den üblichen Kasten Bier den ich täglich zu meinen Meditationen bestellte.Manche von den Jungen behielt ich auch länger da als notwendig.Ich hatte durch mein zurückgezogenes Dasein ein paar Kilo zugelegt und es erregte mich wenn ich dem Jungen ,den ich gerade dahatte,befahl mir mit einer alten Fliegenpatsche von unten an die Wampe ranzupeitschen.Danach wischte ich mir genüsslich die Fliegenreste vom Bauch und bezahlte den Kleinen gut.Einmal kam die Polizei und betrat die Wohnung um einer Beschwerde nachzugehen,nach der es aus meinem Zimmer herraus bis in den Flur unglaublich stinken solle.Ich brauchte lange um den Polizisten zu erklären,daß ich mich in einer tantrischen Meditationsphase befände,die Selbstreinigung nicht zulassen würde.Irgendwann,nach dem 3-4. Bier hatte ich sie soweit mir zu glauben und später haben wir ,so glaube ich,auch noch "..Das gibt es nur in Texas ..."gesungen.Von nun an musste ich die Tür zum Flur geschlossen halten,was mir mindestens einmal pro Tag ein beschwerliches Aufstehen garantierte.Also bestellte ich eine gigantische Portion an Vorräten und 20 Kästen Bier und liess das alles um mein Bett herrum aufbauen.Es begann eine äusserst glückliche Zeit,ich fühlte mich sehr sicher und wohl in meiner Burg aus Labsahl und mein Fenster zur Welt sprach ununterbrochen zu mir.Es betrat überhaupt niemand mehr meine Wohnung und stöhrte mich. Das war so eine schöne Zeit.Ich verbrachte Nächte voller Liebe und heissestem Sex vor dem Spiegel ,den ich mir ans Bett gestellt hatte.Da mir der Weg aufs Klo zu beschwerlich war, dufte meine Notdurft bei mir bleiben.Ich quartierte sie in Eimern ein,die ich um mein Bett herum postiert hatte. Sie stellten zusätzliche Wachtürme zu meinem Schutz dar.
Irgendwann wurden die Vorräte schlecht.Ich ernährte mich nur noch von Bier und von den grossen Vorräten,die in meiner Hausbar noch an Schnaps vorhanden waren.Ich hatte zu dieser Zeit starke Visionen,die ich alle mit Videokamera aufnahm um sie später nochmal betrachten zu können.Ich sah ein schwarzes Auto, das sprechen konnte und von einem schönen Mann gefahren wurde,der Kriminal- fälle löste.Die Handlungen dieser Visionen waren genial,ja filmreif.Ich vermute,daß jener schöne ,große Mann eine Verbildlichung von mir war. Den gleichen Mann sah ich in einer anderen Vision als Strandhüter und Wellenretter.Auch aus diesen Visionen hätte man glatt eine Fernsehserie drehen können.Und auch hier war ich wahrscheinlich wieder der schöne Retter, der ich in Wirklichkeit ja auch war.Am imposantesten fand ich mich in einer von diesen Anwandlungen,in der ich mich als einen schwarzhaarigen,muskulösen Kämpfer wiedererkannte,der ganz allein Afghanistan befreite.Manchmal aber waren diese Visionen auch so langweilig ,das ich umschaltete.Zum Glück liefen immer irgendwo welche,die interessant waren.
Ich weiss nicht mehr,wieviele Wochen oder Monate vergangen waren ,aber irgendwann waren auch meine Alkoholvorräte alle.Ich beschloss mich anzuziehen um draussen ein paar Flaschen zu besorgen,da mein Telefon mitlerweile abgestellt worden war.Ich kratzte mir so gut es ging die angetrockneten Krusten von der Haut und versuchte aufzustehen.Nachdem ich mehrmals zusammen- gebrochen war,schaffte ich es zum Kleiderschrank zu gelangen.Ich zog mir einen Morgenmantel und meine Pantoffeln über,klemmte mir eine alte Morgen- zeitung unter den Arm,um ganz nach Frühstücksbrötchenholer auszusehen und humpelte aus der Tür.Das Gehen bereitete mir verständlicher Weise große Mühe,hatte ich doch eine lange Zeit nicht trainiert.Nach einem langen Treppenabstieg gelangte ich durch eine nervenzerrüttenden Kampf mit der Haustür in die Aussenwelt.
Es hatte sich nichts verändert,nur das aus einem Zoo schaarenweise weisse Mäuse ausgebrochen sein mussten,denn ich sah sie überall herrumlaufen. Ich ging die Strasse Richtung Supermarkt entlang und machte alle paar Meter Halt um ein wenig zu verschnaufen.Oft wurden mir,wenn ich so herumsaß von Vorbeigehenden Geldstücke zugeworfen und da ich den Grund nicht erkannte nahm ich an ,das sie in mir den berühmten Privatdetektiv Horst Pagels erkannten und ihn bzw mich für meine grandiosen Erfolge bei der Verbrechens- bekämpfung honorierten.Ich lächelte väterlich wissend.Einmal blieb eine Familie stehen und ein Vater erklärte seinen Kindern:"Schaut mal,das ist ein Penner,er ist immer betrunken und ihm geht es sehr schlecht.Er ist aus der Gesellschafft ausgeschlossen worden,weil er asozial ist.Das ist sehr traurig.."Ich schaute entsetzt hinter mich und tatsächlich:im Spiegel einer Schaufensterscheibe war ein auf dem Boden hockender,abgerissener Penner zu sehen.Mitleid packte mein sensibles Herz und ich warf ihm etwas Geld hin.Dann sagte ich zu den Kindern:"Genau liebe Kinder und wir alle müssen aufpassen,das wir auf dem rechten Pfad bleiben,sonst..."ich schaute belehrend und zeigte vielsagend mit dem Daumen hinter mich.Die Kinder legten ihre Köpfe schief und sahen mich fragend an.Auch die Eltern schienen mich nicht recht zu verstehen und zogen die Kinder eilig weiter.
Ich drehte mich um, musterte den Penner und winkte ihm schließlich zu,dem armen Hund.Auch er winkte.Ich schüttelte den Kopf.So ein saugut aussehender Kerl und schon so fertig.Als ich am späten Nachmittag den Supermarkt erreicht hatte war es bereits früher Abend geworden.Die Sonne kreiste wie ein alter, weiser Geier über meinem Kopf,der seine Rente genüßlich verprassen wollte. Ich hatte mitlerweile eine stattliche Summe an Honorationsgeldern beisammen und betrat nach einem längeren Kräftemessen mit der Eingangstür den Supermarkt.Hier war es wirklich super.Es wurde sofort eine typische Einkaufssituation von mir gebildet.Ich ging an den Regalen lang und die Waren zogen wie hypochonderfarbene Fischschwärme an mir vorbei.Ich war Jonas, der Fischer und ich angelte mit der Rute Gottes.Bald sah ich verschiedenste Marmeladen aus aller Herren Länder,feinste Pasteten und Würste waren mit durchsichtiger Folie geschmückt in die Aufbauten drapiert,Säfte in Geschmackssorten und Farben von A-Z mit fremdartig klingenden Namen standen in kunstvoll angefertigten Kästen wie Freunde aufeinander.Ich schlich leise und staunend wie durch ein Museum.Ich kam an einen Stand wo eine Verkäuferin Proben von feinstem,wertvollsten Eierlikör umsonst feilbot.Ganz meinem höflichen Benehmen entsprechend verbeugte ich mich tief.Leider konnte ich mein Gleichgewicht nicht halten und kippte nachvorne über.Ich stürzte mit dem Gesicht in den Eierlikörtisch und brach mit ihm zu Boden.Die Verkäuferin rannte mit einem spitzen Schrei davon.Mir war das alles sehr unangenehm zumal mein gesamter Kopf und auch die Brust mit dem Likör eingesaut waren.Ich steckte mir den langen Bart ,den ich mitlerweile hatte in den Mund und saugte ihn aus und das gleiche tat ich so gut es ging mit meinen Haaren.Mann,war das Zeugs aber auch lecker.Um weiteren Unannehmlichkeiten zu entgehen kroch ich unter ein Regal und blieb dort regungslos liegen.Ich hatte mir noch eine ganze Flasche von dem beglückenden Eiersaft geschnappt und begann jetzt genüsslich an ihr zu nuckeln.Alsbald erschien die Verkäuferin mit dem Geschäftsführer und erklärte ihm in schrillem,hysterischen Ton das sie ein Penner überfallen habe und den gesamten Stand zusammengetreten habe.Ich hob gerade an um zu schreien ich sei kein Penner sondern Privatdetektiv, verstummte aber da ich begriff das es besser für mich sein würde inkognito zu bleiben.Der Geschäftsführer machte sich entzürnd auf die Suche nach mir und die Dame baute ihren Stand wieder auf.
Unter meinem Regal gab es einen toten Winkel hinter einem Mauervorsprung und ich zog mich mit meinem beglückenden Advokaten ganz in diesen zurück. Die Schritte der Einkäufer wurden immer hastiger und bald verkündete eine sonore Frauenstimme durch die Lautsprecher ,daß jetzt Ladenschluß sei. Ich beschloss zu bleiben,zumindestens heute nacht.
Um ca.7.00 Uhr waren die Feger durch und der Laden wurde vom Geschäfftsführer abgeschlossen.Ich wartete noch ein wenig ,dann verliess ich mein Versteck,um mich umzusehen.Ich war wirklich ganz allein in diesem Paradies!Als aller- erstes suchte ich die Schnapsabteilung,fand sie und begann mit einer aus- giebigen Probierstunde.Ich trank mich durch die besten Rumsorten des Abend- landes und neutralisierte den Geschmack im Mund nur ab und zu durch ein Bier. Ich wusch mir den Kopf mit einer 2 Liter Flasche Perlwein und besorgte mir einen Eimer.In diesen kippte ich die verschiedensten Sorten Schnaps,Bier und Wein und beschloss dann ein wenig um die Regale zu ziehen.Ich war wirklich im Paradies gelandet.Da ich kein Klo fand,denn ich hatte auch nach keinem gesucht,pinkelte ich in die Brotabteilung.In der Elektroabteilung fand ich einen Batteriebetriebenen Fernseher.Ich packte alles ,was ich brauchen konnte in eine große Plastiktüte.Zwischendurch steckte ich immer wieder den Kopf in meinen Eimer und labte mich an der göttlichen Ambrosia,die ich mir da zubereitet hatte.
Irgendwann morgens weckten mich Stimmen.Ich schaute mich um und stellte fest, das ich in einer von diesen Käsekühlboxen lag ,überall um mich herum waren die Käsepackungen aufgerissen und angefressen.Auf dem Boden standen immer noch der Eimer und die volle Plastiktüte.Am Geschäftseingang sah ich den Chef mit einem Angestellten stehen,sie unterhielten sich.Bibbernd vor Kälte stemmte ich mich hoch,schnappte mir meine Güter und schlich äusserst leise zu meinem Versteck.Hier konnte mich niemand entdecken!
Es dauerte nicht lange,bis ich aufgeregte Stimmen hörte und entsetzte Verkäufer durch die Gänge laufen sah(ich sah nur ihre Füße..).Sie hatten die Spuren meiner Exkursion entdeckt.Immer wieder hörte ich die delegierenden Schreie des Geschäftsführers,man hatte eine Großsuchaktion gestartet. Fluchende Angestellte durchkämmten jeden Winkel und schauten unter jedes Regal,allein mich konnten sie freilich nicht entdecken,da ich zusammenge- kauert in meinem Winkel hockte.Zufrieden schlabberte ich meine Bowle. Die Polizei traf ein,konnte aber auch keine entscheidende Hilfe leisten. Ratlosigkeit.Ich kaute an einem in Platik eingeschweisten Speckballen. Irgendwann einigte man sich draussen darauf,das clevere Einbrecher diese Schlachtfeld angerichtet hatten,die mit modernsten Einbruchsmitteln und einem fehlerfreien Plan diesen spurenlosen Coup begangen hätten.Wie sonst ginge es an ,daß die Türen und Fenster unbeschädigt seien.Ich hatte gewonnen. Ich,der grösste Einbrecher des Jahrhunderts.Das klang gut.Mir gingen Pläne für gigantische Raubzüge durch den Kopf.Ich kam ins träumerische Schwärmen bis mir gewahr wurde,das ich ja schließlich Privatdetektiv war und auf der hellen Seite des Gesetzes stand.Ich rechtfertigte mein tun durch die prekäre Lage in der ich mich befand und beschloss später alles zurückzugeben.
Den Tag verbrachte ich zu großen Teilen mit dem kleinen Fernseher,an den ich Walkmankopfhörer gekoppelt hatte.Der Betrieb war wieder normal auf- genommen worden,nur einmal hörte ich wie sich Kunden über den seltsamen Gestank im Markt unterhielten,der hier neuerdings zu riechen war.Ich roch nichts.Dann und wann schlief ich ein oder süffelte aus meinem Eimer.Meine Notdurft verrichtete ich in eine breithalsige Orangensaftflasche.Mir gefiel es hier sehr gut und ich beschloss länger zu bleiben.
Erneut brach die Nacht herein und der Markt lag verlassen da.Ich beschloss mir heute Zeit bei der Inspektion meines Reiches zu nehmen.Während ich auf allen vieren durch die Gänge kroch,das aufstehen war mir zu anstrengend, kamen mir die Regalwände wie riesige,steil aufragende Schluchtwände vor. Das steinerne Gesicht der Decke darüber blähte sich wie eine waagerechte Mauer von einer Seite zur anderen.Triste Visionen von einem verregneten Nachmittag im Grand Canion modulierten traurigste Gefühszustände in mir. Ich musste an die Hasen denken auf die Regen aufprallte,Würmer ,die in ihren sorgsam gebauten Erdhöhlen grausam ertranken ,ich stellte mir ein unachtsames Rebhuhn vor ,in das ein Blitz einschlug dessen Voltzahl dazu gerreicht hätte die Spielzeugeisenbahn eines kleinen Jungen bis in seine Seniorenjahre in Gang zu halten.Dann stellte ich mir vor,wie dem alten Mann plötzlich der Strom für seine Spielzeugeisenbahn ausging,weil der Blitz alle war und wie sich der alte Mann vor lauter Gram über sein verlorenes Hobby in den Grand Canion stürzte.Genau auf ein Murmeltier rauf, das gerade eine Biene jagte.Und die Biene wurde auch noch von einer Ente zer- treten,die etwas im Regen umherwatscheln wollte um sich ihre grausamen Entendepressionen zu vertreiben.
Ich began sehr stark zu weinen,schließlich fluchte ich sogar wieder Gott ob seiner Grausamkeit und schwor von nun an nur noch mir selber zu dienen. Ich hörte eine Stimme flüstern und schaute mich panisch um.Sie verstummte. Was oder wer war das?Oder war es Einbildung gewesen.An einem Regal mit eingelegten Pflaumen machte ich halt und trank den Schnaps aus einem der Gläser.Ich pinkelte hinein und stellte es wieder geschlossen ins Regal zurück,ich hatte beschlossen keine Spuren zu hinterlassen.In der Schnaps- abteilung nahm ich die hintersten Flaschen aus den Regalen und füllte meinen Eimer wieder auf.Nach einer ausgiebigen Zechtour durch den Garten- bedarf landete ich in der Zeitungsecke.Ich steckte mir ein paar der besten Fernsehzeitungen ein.Dann besorgte ich mir aus der Sanitärabteilung einen Spiegel,denn ich verspührte das Bedürfniß Sex zu haben und ich weiss,was mich wirklich anmacht.Zuguterletzt landete ich schließlich in der Tabak- abteilung und stellte mir einen grossen Beutel an Rauchwaren zusammen. Ich setzte mich wie ein Barmann an eine der Kassen und soff und rauchte was das Zeug herhielt.Dort wachte ich auch morgens auf.Um mich herum musste es gebrannt haben,denn die ganze Kasse und das Förderband waren geschmolzen. Mein Bart war bis unters Kinn abgekohlt.Meine Finger waren schwarz und mit Brandblasen bedeckt.Wer war das gewesen?Wieso hatte ich das verpasst? Ich hörte Geräusche an der Eingangstür und verschwand eiligst in meinen Bau.Die Belegschaft betrat den Laden um den Tag zu beginnen.
Alsbald gab es die gleiche Aufregung wie gestern und ich hörte wie viele Schritte eilig zu der besagten Kasse rannten.Bald war wieder die Polizei da und diesmal untersuchten sie den Laden gründlicher.aber auch diesmal entdeckten sie mich nicht und so kam man am Ende zu dem einhelligen Beschluss das das Ganze nur von einem Angestellten hätte verübt worden werden können. Nur jemand mit einem Schlüssel könne hier so Problem und Spurenlos ein und ausgehen.Jetzt begann die Rattenjagd.Jeder verdächtigte jeden und der Geschäftsführer,der übrigens Elroy Mulden hieß,verdächtigte alle. Ich laß derweilen in aller Seelenruhe meine Fernsehmagazine.
In einem dieser Magazine lass ich einen sehr interessanten Artikel über Reinkarnation.Er war von einem Professor Gründel in Tübingen/Deutschland geschrieben,was die Seriosität des Artikels noch hervorhob.Dieser Professor schrieb,daß wir alle schon einmal gelebt hätten und uns unzählige Male auf der Erde aufhalten würden.Er selber sei seiner Ansicht nach bereits schon einmal Pharao im alten Ägypten gewesen und danach ein grosser römischer Feldherr.Seinen letzten Aufenthalt hätte er als französisches Burgfräulein im Mittelalter hier gehabt.Er berichtet das man durch Meditation seine früheren Leben bereisen könne ,um herauszukriegen wer man wirklich sei. Auch könnten das bestimmte Leute ohne Fremdhilfe erfahren und überhaupt, man müsse nur tief genug in sich hinein horchen,dort würden sich die Antworten ganz von selber finden.Oft sei man auch eine Person in der Vergangenheit gewesen,die einem aus heutiger Sicht sonderbar vertraut oder symphatisch wirken würde.Es waren Photos von Menschen abgebildet und daneben ôlgemälde von alten Meistern und tatsächlich erkannte ich Ähnlichkeiten. Unter dem artikel war die Unterschrift des Professors abgedruckt,was meine letzten Zweifel hinwegwischte.Es musste also wahr sein!Dieser Artikel war von einem Professor geschrieben worden,der bereit war seine Unterschrift für seine Glaubhaftigkeit einzusetzen.Der Gedanke nahm mich ganz und gar gefangen.Wer war ich wirklich?Woher kam ich?Wahsinn!Ich überlegte wer mir denn besonders symphatisch wäre und hatte bald eine wahrhaft monumental- historische Seelenreise zusammen:Da musste ich also von Tut Ench Amun über Nero und Alexander dem Grossen , über Kolumbus und Napoleon,über Adolf Htiler bishin zu Pinochet die gesamte Weltgeschichte beeinflusst haben. Ich überlegte ob ich auch Richard Nixon gewesen sein könne,war mir da aber nicht so sicher.Stolz schwellte meine schöne Brust.Ich nahm einen großen Schluck aus meinem Heldeneimer und wähnte mich an dem richtigen Ort um Pläne für eine neue Weltherrschaft zu erdenken.Dies war der beste Platz für einen Gott wie mich,denn hier gab es alles was man brauchen würde um so ein glänzendes Reich zu errichten.Ich zählte auf:Marmelade,Bier,Brötchen, Geschirr.Damit kannst du schon ein ganzes Volk durchbringen.Ich musste unbedingt beginnen Pläne anzulegen.Vielleicht sollte ich den Leuten unbemerkt kleine,aufklärerische und für mich werbende Botschaften zustecken?Ich schlief ein.Ich erwachte durch eine Stimme die mir befahl:"Aufstehn!"Ich zuckte hoch und krachte mit dem Kopf an das Regal über mir.Es war niemand da. Auf dem Flur waren ein paar Füße stehengeblieben,wohl auf Grund des Kraches den ich gemacht hatte.Ich wagte kaum zu atmen,bis die Füße weitergingen. Was war das wieder für eine Stimme gewesen?Wer sprach da zu mir?Ich nahm schnell einen großen Schluck Normalisierer aus dem Heldenkessel.Die Stimme erklang trotzdem wieder und befahl mir in hartem Ton die Orangensaftflasche mit der Pisse in den Flur zu schmeissen.Ich versuchte zu protestieren, konnte mich aber gegen die Macht der Stimme nicht wehren und schmiß die Flasche.Sie traf genau den Kopf eines Zierpinschers der von einer alten Dame durch den Supermarkt geführt wurde.Die Flasche zerplatzte und der Hund viel tot um.Die Oma schrie entsetzt-gellend auf und brach in jämmer- liches Geheul aus,wobei sie sich in die Scherben und die Pinkel zu ihrem Köter kniete.Ich hielt mir die Hand über den Mund vor Entsetzen und gleich- zeitigem Vergnügen.Panische Verkäufer eilten herbei und halfen der Dame wieder auf die Beine.Sie hatte starke Atemschwierigkeiten bekommen und verschiedene Stimmen schrien hysterisch nach einem Arzt.Bald stellte es sich so ein ,das die Verkäufer sich gegenseitig des Anschlages bezichtigten, da sie sich ohnehin die ganze Zeit beargwöhnten und beim Geschäfts- führer lieb Kind machen wollten.Einer behauptete lautstark er hätte den nächsten dabei beobachtet,wie der dem Hund die Flasche über den kopf gezogen hätte um ihn dann auch noch vollzupinkeln.Es war wundervoll.
Schließlich stieß der vollkommen entnervte Geschäfftsführer einen marker- schütternden Schrei aus und die gesamte Meute verstummte.Mir hoher Fistel- stimme erklärte er ,daß er sich genötigt sähe den Markt bis auf weiteres zu schliessen solange man brauchen würde um den Täter zu ermitteln und er könne dieses Geschäft so nicht weiterleiten.Die gesamte Belegschaft würde ab jetzt unter Arrest stehen und von der Polizei verhört werden.In tiefem, diabolischen Ton fügte er hinzu,das der Täter eine harte Strafe zu erwarten habe,es sei denn-und hier wurde seine Miene sehr freundlich und blümerant- derjenige würde sich jetzt melden,dann könne man eventuel noch Milde walten lassen.Niemand meldete sich,natürlich nicht.Derweilen sann ich über jene sonderbare Stimme nach und betete ,daß sie mich nicht ausgerechnet jetzt etwas aufseheneregendes gegen meinen willen tuen lassen würde.
Elroy Mulden hob gerade zu einem lautstarken Wortschwall an als es wieder begann.Ich sprang auf und die gesamten regale über und um mich herum stürzten mit ohrenbetäubendem Lärm zusammen.Die gesammte Meute hatte sich zu Tode erschreckt herumgedreht und schaute ungläubig.Ich musste wahnsinnig laut "Korden!" schreien und dann Wörter wie:"Mückflamm" und "Wegenpespe".Dann durfte ich ruhig werden.Sie starrten mich an wie einen Ausserirdischen, keiner von ihnen rührte sich.Ich muß gestehen ,das ich ein sonderbares Bild geboten haben muss,mit meinem abgekohlten Bart und den verbrannten Fingern in einem mitlerweile ziemlich eingesauten Morgenmantel,unglaublich verklebten Haaren und ansonsten einer Haut ,die seit 6 Monaten oder so kein Wasser mehr gesehen hatte.Ich schrie noch einmal bestärkend:"PESPE!",dann hob ich meinen Eimer hoch und nahm einen sehr tiefen Schluck.Am Ende war mir das Ganze dann doch etwas peinlich geworden und ich beschloss zu gehen.Den Eimer in der einen,die Beutetüte in der anderen Hand ,so wankte ich auf den Ausgang zu. Wie als wenn sich ein Bann gelegt hätte,fing die gesamte Horde aufeinmal an zu schreien und stürzte mir hinterher.Hätte ich jetzt doch bloss irgendwelche Waffen bei mir gehabt,ich hätte sie alle umgebracht,aber mir mislang selbst die einfachste Judorolle und so wurde ich begraben unter ihren hasserfüllten Laibern die auf mich einprügelten als ob es gelte mir den Belzebub auszutrei- ben.Ich versuchte umzuschalten aber es ging nicht.Dann verlor ich das Bewusstsein.
Ich erwachte gefesselt in einem weissen Kachelraum.Ich lag auf dem Rücken und war mit Lederriemen an eine Pritsche geschnallt.Grelles Licht drang aus wohlgeformten Designerlampen.Welche von diesen schicken neuen Dingern die jetzt bei allen Leuten mit Geschmack an langen quer durch den Raum gespannten Drahtschienen von den Decken leuchteten.Ich liebte diese Art von Design und war gespannt ob es hier wohl auch moderne Stahlartmöbel geben würde.Ich hatte keine Ahnung wo ich gelandet war,aber es mussten sehr intellegente, symphatische Menschen sein,die das hier eingerichtet hatten.Weisse Kacheln, ich überlegte ob ich wohl hoffen dürfte,das die Pritsche auf der ich lag mit diesen schönen pastellfarbenen Stoffen in modernem Hellrosa,Lila und Neongrün bespannt war.Die Füße natürlich aus geschliffenem Stahl.Ich fand es toll in dem Raum.An der Decke war ein Spiegel angebracht und ich stellte fest, daß man mir Kinn,Schädel,Achsel und Schamgegend rasiert hatte.Auch das sah superschick aus.Aus einer versteckten Box drang beruhigende Musik,irgendso- was Gutes wie Shackatack oder Miami Sound Machine."Klasse!" rief ich,"Klasse ist das hier!".Keine Antwort.Ich beobachtete meinen schönen Körper im Spiegel.Ich musste schon lange hier liegen,denn zum Zeitpunkt meines Super- marktaufenthaltes hatte ich sicher um die 250 Kilo gewogen und jetzt war ich um einiges schlanker.Meine Arme und Beine waren so dünn und grazil wie eh und je und mein Bauch war etwas zur linken Seite abgesackt,so das er nach dort eine Falte warf.Ich bewegte mich etwas und der Bauch schwang nach rechts um dort liegenzubleiben.Während ich das beobachtete bekam ich einen Orgasmus.Ich schlief ein.
Irgendwann erwachte ich erneut durch eine Stimme.Es war DIE Stimme.Sie begann erst leise ,dann lauter zu reden.Sie sagte ungefähr folgendes:"Ich habe Dich lange gesucht.Ich brauchte Zeit un zu Dir zu gelangen.Du warst einmal ich und ich bin ein Teil von Dir.Du hattest mich vergessen.Wir waren so eine schöne Frau.Ich komme daher wo Du herkommst,aus dem Reich.Du darfst niemandem von mir erzählen ,sonst wird man mich herausholen.Ich habe Dir immer geholfen und dich entscheidend unterstützt bei der Lösung Deiner Fälle.Ich half auch anderen bei der Lösung ihrer Fälle.Ich will immer eine saubere Lösung!Wir müssen uns sehr in acht nehmen,denn wir wollen schließlich die Welt ver- ändern."Sie hatte geendet.Ich erkannte,daß ich diese Stimme mochte und beschloss sie zu fragen wer sie und ich denn wären bzw gewesen seien. Ich fragte laut wie denn ihr Name wäre aber sie antwortete nicht.Ich wieder- holte die Frage aber scheinbar hatte sie den Kontakt abgebrochen.Ich grübelte vor mich hin und irgendwann schlief ich ein.

Es kam kaum noch Licht durch die dicke Rauchschicht über der Stadt.Von allen Seiten tönte der Lärm der Zerstörung.Wir hatten lange gebraucht um zu begreifen,daß das absolute Ende eingesetzt hatte.Wie war das bloß passiert, unsere Pläne waren doch hundertprozentig gewesen ,unsere Macht war gigantisch die Ziele heer, unsere Ideale leutend.Ich hatte mich heute morgen besonders schön gemacht für die Prozedur.Ich kannte seine Planung für diesen Fall und von daher wusste ich das dieses wenngleich unser letzter so auch unser schönster Tag werden sollte,der Tag an dem wir heiraten würden.Bereits am frühen Morgen hatten wir und in den Bunker begeben um letzte Direktiven zu verteilen.Wir würden als erste gehen.Die Trauung erfolgte schnell und schnörkellos und nachdem wir mit den Anderen ein letztes Glass Champagner getrunken hatten verabschiedeten wir uns von ihnen.Ich freute mich endlich mit ihm allein zu sein.Wir gingen in seine privaten Gemächer und verschlossen die Tür hinter uns.Uns war beiden klar ,daß wir nicht viel Zeit hatten.Wir umarmten uns und zum ersten mal sagte er zu mir:"Freulein,ich mag sie." Ich gab das Kompliment zurück.Dann hielt er eine kurze,ergreifende Abschieds- rede:"Seitdem es die Menschheit gibt ist jetzt eine lange Zeit vergangen. Der Mensch ist ein Reiter und die Erde sollte sein Ross sein.Jeder Körper hat Gliedmaßen.Wenn Italien der eine Stiefel ist,so muß Spanien der andrere sein.Wenn Afrika die linke Hand ist ,so muß Amerika die rechte werden.aber jeder Körper hat nur einen Kopf und der Kopf des Weltenkörpers,der wird immer Deutschland bleiben.Auch wenn wir jetzt gehen müssen,der Kopf der Welt ist dieses Land!"Ich juchzte vor Begeisterung,denn was er sagte war so schön und wahr zugleich.Er sagte:"Alles fing an mit Adam und Eva und wenn die Welt jetzt den Kopf verliert dann hört alles auf mit Adolf und Eva.Das Ende und der Anfang sind sich immer sehr ähnlich."Ich mußte weinen so sehr ergriffen mich seine Worte.Ich fagte ihn schluchzend:"Adolf,glauben sie an Wieder- geburt?"Er warf mir einen verächtlichen Blick zu und drehte sich ohne zu antworten um.Er legte 2 pillen bereit und lud seine Pistole.Ich sagte: "auf die Gefahr hin ihr Ärgernis zu erregen,ich glaube an die Wiedergeburt, das ist doch eine feine Idee,dann könnten wir gleich wiederkommen ,vielleicht rechtzeitig um alles noch wieder hinzubiegen.Oder wir könnten gleich ein 4tes Reich aufmachen." Er schien mich weder wahr noch ernstzunehmen,im Gegenteil er wurde sogar zusehens grießgrämiger.Wortlos hielt er mir eine der beiden Pillen hin.Er sagte:"Schweig jetzt und schluck,auf Wiedersehen!"Mein Gott wie liebte ich diesen Mann!Er war so überlegt,so erwachsen.Ich setzte mich auf das im Raum befindliche Sofa und schluckte die Pille.Ich musterte ihn zärtlich und flüsterte dann:"Auf Wiedersehen mein Führer,vielleicht so gar in dieser Welt.Ich auf jeden fall schwöhre hiermit,daß ich wiederkommen werde.In einer neuen Gestalt,in einem neuen Körper,aber mit dem gleichen Plan...Ich habe einem Vertrauten Pläne übergeben wann und wo genau mit meiner Wiederkunft zu rechnen wäre,denn ich hatte eine Vision,in der ich als Pivatde..." Mich überfielen unglaubliche Schmerzen und ich brach zu Boden.Aus den Augenwinkeln beobachtete ich wie der Führer sich in seinem Sessel ge- mütlich die Abendzeitung aufblätterte ,dann starb ich.

Langsam erwachte ich.Was war das gewesen:eine Eingebung?ein Traum?Erinnerung? Es schien so wirklich zu sein,es kam mir vor wie meine eigenene Vergangen- heit.Wir wurde klar ,das ich die Antwort auf meine Fragen gefunden hatte. Wer war ich wirklich?Ich war EVA BRAUN!Ich war mit dem Führer verheiratet gewesen.Und jetzt war ich hier!Fantastisch.Ich hatte nicht davon geträumt eine so grosse Person gewesen zu sein.Ich war sie!Ich wurde mir der großen Verantwortung die ich jetzt zu tragen hatte bewusst und war glücklich endlich mein wahres selbst gefunden zu haben.Ich schaute mich um und bemerkte das sich noch 2 andere Personen im Raum befanden.Es waren 2 junge Militär- ärzte,zumindestens hatten sie Uniformen an.Als sie merkten,das ich wach war kamen sie näher und beugten sich schließlich interessiert über mich. Der Eine sagte zum Anderen:"Er sieht ihr aber garnicht ähnlich.."Der Andere sprach mich an:"Sir,ist ihr Name Horst Pagels,sind sie Privatdetektiv und haben die letzten Tage ihrer Erinnerung in einem Supermarkt unter einem Regal zugebracht?"Ich bejahte.Er fragte:"Wie war das letzte Wort ,das sie erinnern gesagt zu haben?"Ich überlegte,dann sagte ich etwas kleinlaut: "Pespe",das Wort kam mir auf einmal so dämlich vor.Sie zuckten zusammen und traten zurück.Der eine stotterte aufgeregt:"..Pespe..Er hat es gesagt... das grosse Wort..er hat es wirklich gesagt,so wie es in den Aufzeichnungen steht..." Der Andere war zu einem Telefon gerannt und fiepste mit hoher Stimme hinein:"..Chef,er ist es..er hat es gesagt.."
Was war denn nun wieder los?Ich wusste nicht was ich von all dem halten sollte,nutzte aber die Möglichkeit aus um die beiden zu fragen,ob man hier auch Designermöbel aus Stahl hätte und diese Stoffe in den wundervollen neuen Farben.Ich betonte das ich es hier wirklich witzig finden würde um nicht zu sagen-echt schrill.Ausserdem hätte ich Durst,ob sie nicht meinen Eimer irgendwo gesehen hätten.Die beiden beachteten mich garnicht,so aufgeregt waren sie über diese idiotische Wort.Pespe.Ich fand es total albern,liess sie aber in ihrem Rausch um ihn eventuell auszunutzen.
Eine Tür öffnete sich und weiterer Mann kam herrein.Er war älter als meine Wächter,trug eine Uniform mit verschiedenen Orden und hatte ein machtvolle Ausstrahlung.Er musterte mich skeptisch während er nähertrat,dann fragte er ruhig:"Also nochmal,wie war das letzte Wort,das sie sagten vor ihrer Ohn- macht?"Da das Wort hier scheinbar eine positive Stimmung auslöste sprach ich es es in frohlockendem Ton noch einmal aus:"PESPE!".Der Alte schaute mich aus schmalen Augen an,dann fragte er :"Und das Wort davor?Welches Wort sagten Sie davor?"Ich überlegte.Das war doch auch irgendwie sowas schwachsinniges gewesen.Saftflieg?oder Käfemese?Ich hatte es.Ich sagte triumphierend: "MÜCKFLAMM!" Die Augen des Alten weiteten sich.Er sagte:"Sie ist es wirklich! Wie schön das Sie endlich hier sind Frau Braun..oder Frau Hitler..wie sollen wir sie nennen große Meisterin?" Ich sagte:"Nennen sie mich Horst , denn mein Name ist Horst Pagels!Und schnallen sie mich gefälligst ab!" Ich nutzte die Situation aus.Der Alte gab sofort Anweisungen mich abzuschnallen und während ich mich hinsetzte,knallte er die Stiefel zusammen und stellte sich vor:"Gnädigste,gestatten mein Name ist Bruno von Stefansloh.Ich bin der Sohn des Mannes,dem sie die Anweisungen für ihren Empfang gaben:Burkhart von Stefansloh!Wir haben uns streng an ihre Pläne gehalten.Voller freudiger Erwartung halfen wir ihnen bereits in den letzten Jahren unbemerkt bei ihrer seegensreichen Aufgabe als Privatdetektiv und nun sind sie endlich erwacht!"Er hatte einen pathetischen Ton in seine Stimme gelegt.Er schrie die beiden Jüngeren an, sie sollen Frau Braun sofort ihre Kleider bringen, aber dalli!Mir wurde ein altes Damenkostüm,augenscheinlich aus den vierziger Jahren gebracht und eine blonde Damenperücke,da man mich ja kahlrasiert hatte.Auch ein Paar hochhackige Damenschuhe wurden bereitgestellt.Das Kleid war mir viel zu eng und die Schuhe schnitten in meine Füße,aber ich zog beides an um die Situation nicht zu versauen.Die Perücke passte mir sehr gut. Mir wurde ein Spiegel bereitgestellt und ich betrachtete mich darin.Es erinnerte mich an das Maikäferkostüm,mit dem ich mich vor Kurzem zu tarnen versucht hatte.Ich sah irgendwie schwanger aus.Meine Verehrer schauten mich bewundernd an und so beschloss ich mich nicht weiter zu beschwehren. Es schien mir der geeignete Moment gekommen zu sein um nach meinem Eimer zu verlangen.Der eine von den beiden jüngeren,der Hüdele genannt wurde öffnete die Tür einer Abseite und sieh da,dort waren all meine Habselig- keiten verstaut,auch der Eimer.Ich ließ ihn mir geben und nahm sofort einen tiefen Schluck daraus.Das Zeug schmeckte gut abgestanden und ich leckte mir zufrieden die Lippen.Ich kippte den halben Eimer auf ex und meine Stimmung stieg.Dann kramte ich aus meiner Tüte ein paar Batzen einge- schweisten Schweinspresskopf ,biß die Hülle auf und began genüßlich daran zu zutzeln und zu lutschen.Ich bot meinen neuen Freunden ein Tütchen berliner Flüssigkäse in Plastik an.Sie schienen nicht den rechten Apetit dafür aufzubringen als ich eine Stimme aus mir in Befehston sprechen hörte: "Los,der Käse wird getrunken, aber zackig!"Ich war erstaunt,das musste SIE gewesen sein,auf jeden Fall lutschten meine Begleiter artig an ihren Beutel- chen.In mir drin sagte die Stimme zu mir:"Im übrigen,Du überlässt mir jetzt besser die Kontrolle,ich weiss was zu passieren hat,ich habe den Plan!" Ich erwiederte nichts ,ich war mit der Situation ganz zufrieden und dachte mir:Na die Eva wirds schon richten,Hauptsache ich habe meinen Eimer und nen Fernseher.
Bruno von Stefansloh trat an mich heran,verbeugte sich vor mir und gab mir einen Handkuss."Sie sehen wirklich ganz entzückend aus meine Dame!"so schwärmte er."Darf ich sie nun unseren Gästen vorstellen?Es gibt viele Leute,die lange auf auf Sie gewartet haben und darauf brennen Sie nun endlich kennenlernen zu dürfen.Geschmeichelt antwortete sie aus mir:"Es ist mir eine Ehre!"Stefansloh öffnete eine Tür und wir schritten in eine Art Tagungsraum mit einem grossen Tisch in der Mitte,an dem ca.30 Leute ver- schiedenen Geschlechts saßen.Als wir den Raum betraten sprangen die Anwesenden aufgeregt auf.Von Stefansloh tönte stolz:"Meine Damen und Herren: Begrüssen Sie:EVA BRAUN!" Ich stolperte an ihm vorbei in den Raum,da meine Absätze unter meinem Gewicht ständig umknickten,stürzte und schlug mit der Nase auf dem kahlen Hinterkopf eines alten Mannes auf,der zuforderst am Tisch saß und zu alt war um sich umzudrehen.Man griff mir sofort unter beide Arme und stellte mich wieder hin.Erschrecken hatte die Anwesenden ergriffen.Ich blutete aus der Nase und der alte Mann jammerte irgendwas in sich hinein.Ich riss mich zusammen und machte mich für eine Rede bereit. "Meine Damen und Herren.Ich finde es echt witzig hier,diese Designerlampen.. sie müssen wissen ich bin Privatdetektiv.."als ich barsch in mir unterbrochen wurde:"..Schnauze halten ,hier rede ich sie Idiot!.." schrie ich "..Verzeih- ung meine Damen und Herren,mein Name ist Eva Braun und ich war die Frau des Führers.Die Person,in die ich reinkarniert wurde will mir noch nicht so recht gehorchen.Aber zum Beweiß sage ich es noch einmal allen Anwesenden hier:PESPE!" Bestärkend fügte ich persönlich nochmal hinterher:"Ja genau.. PESPE!" Die Umstehenden starrten mich mit offenem Mund an.Sie schienen von meinem Aussehen und meinem Auftreten sehr beeindruckt zu sein. Irgendjemand aus der honorablen Runde die mich umgab stöhnte:"Sie ist es, das muss die Frau des Führers sein,nur sie kann so auftreten!"Andere stimmten ein mit :"Ja genau!" und "Pespe...Pespe Frau Braun..".Tränen rollten,die schließlich in offenen Applaus umschlugen.Man jubelte mir zu und ich war sehr gerührt.Wie lange hatten diese armen Menschen warten müssen?Ich warf ihnen Kußhände zu und verbeugte mich nach allen Seiten."Liebe Faschisten," sprach die Stimme aus mir,"Wir haben jetzt einen langen Nachmittag vor uns und ich werde alle Ihre Fragen beantworten.Setzen Sie sich!"Ich hob den Eimer und sagte:"Auf mich!" Dann schrie ich nach Hüdele um den Eimer wieder füllen zu lassen.
Viele Stunden waren vergangen und Frau Braun hatte aus mir heraus all die Fragen beantwortet die unsere neuen Freunde gestellt hatten.Sie hatte viel vom Führer erzählt und ich hatte interessiert gelauscht.Ab und zu warf ich unterstützend "genau!" oder "echt spitze!" ein,was von ihr ignoriert wurde.Ich fand es total langweilig was sie erzählte und schaltete meinen kleinen,tragbaren Fernseher ein.Ich liess sie vor sich hinlabern,unterbrach sie nur ab und zu durch einen brüllenden Lacher,da ich eine prima Verwechs- lungskomödie mit Stepptanzeinlagen verfolgte.Zickig befahl sie mir gefälligst den Rand zu halten,da sie hier ernsthafte Ausführungen zu halten habe. Ich sagte:"Schnauze Puppe,wer hat hier die Hosen an?"Unsere Gäste waren verwirrt und so hielt ich mich erstmal wieder zurück.Am Schluß ihrer Rede forderte sie die ganze Runde zu großzügigen Spenden auf,für die "rechte Sache" und bedankte sich.Ein starker Applaus begann und während von Stefansloh herumging wurden ihm Spendenschecks mit gigantischen Summen ausgehändigt.Das gefiel mir und ich überlegte was ich mir alles für tolle Sachen davon kaufen könne."Spar dir diese dummen Gedanken!"sagte sie in mir"Du kriegst keinen Pfennig davon!" Langsam fing die Alte an mich zu nerven.Nachdem wir unsere Gäste verabschiedet hatten waren sie gegangen. Jetzt wollte sie erstmal ein pflegendes,schönes Bad nehmen und sich dann ein wenig zur Ruhe betten.Ich fand ihre Ideen immer bescheuerter,ich wollte viel lieber mit meinem Eimer fernsehen.Sie wurd sehr sauer und schrie: "Halt jetzt endlich deine dumme Gosche ,du hirnloser Prolet,hier bestimme ich,ICH -EVA BRAUN!" Das konnte ich mir nicht bieten lassen und ich schrie zurück,daß sie eine total blöde Ziege sei und sie sei hier ja wohl nicht zu Hause und solle abhaun,bekloppt wie sie aussähe.Ich holte aus und gab ihr eine schallende Ohrfeige.Es tat total weh und ich kippte zur Seite um.Sie fing hysterisch an zu heulen und ich lachte sie aus. Von Stefansloh,Hüdele und der Dritte namens Grachtenbertie starrten mich verständnisloß an,ich glaube sie fanden mich abstoßend,was ich der Anwesen- heit dieser durchgedrehten Kuh zuschrieb.Ich beschloss mich ihrer wie auch immer zu entledigen.Vielleicht könnte ich sie wegsaufen dachte ich mir und versuchte den Eimer zum Mund zu heben aber sie war stärker und liess ihn wieder zu Boden.Ich kniete mich nieder und steckte bevor sie begriff was ich vorhatte schnell den Kopf in den Eimer.Ich schluckte Unmengen.Ich bekam sofort ein starkes Harald Juhnke-Feeling und fing an Stimmungslieder zu singen.Ich hörte im Hintergrund starke Brechgeräusche in mir.Ha,die Alte hatte ich erstmal flachgelegt.Zumindest vorerst war ich wieder der Herr im Haus.Ich gab meinen Bediensteten,die nicht wissen konnten wer in mir das Steuer in der Hand hatte ,eine Liste mit Dingen,die sie biß zum nächsten Morgen zu besorgen hätten und befahl ihnen den Raum zu verlassen.Dann liess ich mit einem langen ,zufriedenen Grunzer vor dem Fernseher nieder,in der linken meinen Kessel in der rechten ein paar von diesen leckeren Speckbatzen. Feierabend!
Am nächsten Morgen,ich hatte durchgeglotzt und mitlerweile den 3. Eimer angemischt,betraten Hüdele und Grachtenbertie meine Gemächer.Sie hatten alles wie befohlen besorgt.
Ich überprüfte es sorgfältig,dort waren eine goldverzierte nubische Barke, ein weisses Cesarenkostüm mit einem Lorbeerkranz,4 afrikanische Träger, ein grosses Schild auf dem in goldenen Lettern geschrieben stand:"HORST PAGELS,DER GRôSSTE PRIVATDETEKTIV DER WELT,GRÜSST DIE MENSCHEN VON BOSTON!" Ich hatte beschlossen mich so durch die Strassen der Stadt tragen zu lassen, von Menschenmassen bejubelt ,um der Braun zu zeigen wie sich wirkliche Größe darstellt.Ich begann mich unter den fragenden Blicken meiner Untergebenen umzuziehen und erklärte ihnen,daß wir jetzt stetig auf den Endsieg zumarschieren würden.Meiner geballten Intelektualdominanz unterlegen vertrau- ten sie auf das weise Urteil ihrer Führerin.Eine schwache Stimme erklang in mir:"Horst ,das kannst du nicht machen,du reisst uns und unseren grossen Plan in das Verderben.Wie kannst du dich so gegen mich wehren?Ich halte das nicht durch,wenn du so weitermachst vernichtest du mich...!"Sie heulte jämmerlich. Das war mir nur recht.Diese irre Ziege.Ich antwortete,das ich ihre Pläne auch alleine ausführen könne und sie solle sich nicht wundern,nach dem Affentanz, den sie aufgeführt hätte.Bestärkend nahm ich einen Riesenschluck Eimersaft. Sie wimmerte und bettelte,aber ich hatte kein Mitleid,soetwas hatte ich ja noch nie gehabt.Sie verstummte und ich hoffte für immer.
Ich setzte mich in die Barke,liess mir meinen Eimer ,meine Tüte und die Spendenschecks geben und befahl den Trägern mich hochzuheben und loszugehen. Während der verwirrte Hüdele und der frühsenile Grachtenbertie uns die Türen öffneten ,durchquerten wir mehrere Flure und kamen dann zur Aussentür. Wir befanden uns direkt am Anfang der grössten Einkaufs und Geschäfftsstrasse von Boston und es herrschte ein emsiger Morgenverkehr.Ich befahl Hüdele sofort zur naechsten Bank vorzulaufen und sämmtliche Schecks in Bahres tauschen zu lassen.Dann liess ich mich langsam und majestätisch winkend die Strasse hinuntertragen.Ich hielt das Schild hoch und rief Sachen.Leute blieben stehen und starrten verdattert,andre winkten und wieder andere folgten uns um mich weiter zu beobachten.
Hüdele kam mit 2 Koffern zurück und gab sie mir.Ich beschloss mich gönnerisch zu geben ,öffnete den einen Koffer und begann Dollarscheine auf die Strasse zu werfen.Schreiend stürzten Menschen auf den Knieen über die Strasse und rafften zusammen ,was sie konnten.Die Menschentraube wurde immer grösser und der Verkehr kam zum erliegen,Leute prügelten sich, andere wieder- rum schlugen brutal auf Leute ein und ein unheimliches Geschrei hatte sich erhoben.Hände reckten sich zu mir herauf in die ich spuckte.Es war erhebend. Wir waren mitlerweile auf der Hälfte der Meile angekommen und eine gigan- tische Menschentraube umrang uns.Ich erhob mich und warf die Arme gen Himmel. Dann schrie ich gebieterisch:"Silentium!"Die Menge verstummte und starrte mich erwartungsvoll an.Ich hob zu einer Heldenrede an:"Menschen aus Amerika, ich liebe Euch.Die edle Art wie ihr Euch kleidet spricht von einer grossen Kultur und von feiner Sitte.Das Purpur und Türkis Eurer Sportswear sind die Farben der Edelsteine in dem Diadem das die Königin Umwelt um ihren grazilen Hals trägt.Eure wohlerzogenen Artikulationsweisen und die feine,höfische Art eurer Bewegungen zeigt wie wichtig euch Etikette und gutes Benehmen ist. Eure Frisuren sprechen von modischer Reflektion,denn ich sehe hier niemanden, der nicht vorne kurz und hinten lang trägt.Ihr seid das edelste Volk,das das Antlitz der Welt je erblickt hat und ich will Euer neuer Führer sein. Und als erstes will ich Euch ein paar kleine Geschenke machen!"Ich griff in den einen Koffer und warf ein paar Geldschein in die Menge.Ein wahnsinniges Schreien und Drängen begann und ich war nicht mehr Herr der Situation.Ich schrie und gab Befehle doch der Mob war nun vollends durchgedreht und von allen Seiten brandeten die gestreckten Arme gegen die Barke.Sie geriet ins wanken,denn die Träger konnten sie nicht mehr halten und stürzte zu Boden.Ein Menschenberg schloss sich über mir ,der nach dem Geld raffte. Ich griff mir den einen Koffer,den geschlossenen und begann zwischen den Beinen der Leute hindurchzukrabbeln.Das gelang mir auch,sie bemerkten in ihrer Hysterie nicht mehr was,wer und wo das Objekt ihrer Begierde war und drängten alle nur zum Mittelpunkt des Gewühles.Nachdem ich den dichtesten Haufen unbemerkt hinter mir gelassen hatte ,entdeckte ich eine kleine Seitenstrasse und entfloh durch sie.Diese Narren,dieser Pöbel dachte ich mir, ich hätte sie in ein neues Paradies führen können,aber sie wollten nur mein Geld.Die Gasse mündete in eine andere,größere Strasse.Ich stellte mich an den Bürgersteig und pfiff nach einem von diesen berühmten New Yorker Taxis. Ich prägte mir meine Umgebung detektivisch genau ein,ja ich beobachtete sie sogar eher wie ein Schriftsteller,der vorhat einen naturalistischen Roman über die South-Bronx zu schreiben.Irgendwann als mir die Lippen schon ganz weh taten hörte ich auf zu pfeifen.Vielleicht hielt kein Wagen an, weil hier gar keine Wagen fahren durften.Ich schaute mich um,tatsächlich: ich war in einer Fußgängerzone.Ich schüttelte vergnügt den Kopf,ich altes Gigantehirn,tsts,die Welt wollte ich verändern aber an soetwas einfachem wie einem Taxistop scheiterte ich.Ich schlenderte zur nächsten Querstrasse und hielt mir dort ein Cab an.Ich spuckte auf einen Tausender,klebte ihn von hintem dem Taxifahrer auf die Stirn und sagte :"Fahren sie einfach loß." Nachdem ich aus dem verbeulten Wagen geklettert war,weil der Fahrer in die Schaufensterscheibe eines Geschäffts gefahren war,da er ob des Geldscheines nichts hatte sehen können,hielt ich mir einen weiteren Mietwagen an und beschloss mich auf diesmal weniger gönnerische Weise einfach nach Hause fahren zu lassen.
Nach langer,langer Zeit endlich wieder zu Hause.Ein Gefühl der Geborgenheit überkam mich als ich den Wagen vor meinem Haus verliess und den Fahrer bezahlt hatte.Ich strich zärtlich über die Motorhaube meines weissen Golf Cabrios,der mitlerweile bunt angesprüht war und dem die Räder fehlten. Es war mir egal was man dem Wagen angetan hatte,denn für mich war es ein scheiss Wagen.Ich betrat den Hausflur und ging die Treppen hinauf zu meiner Wohnungstür.Sie war versiegelt von irgendeiner städtischen Instanz.Ich brach sie mittels Körperdominanz auf.Die Wohnung war leergeräumt,man hatte alles gepfändet.Ich setzte mich auf den nackten Fußboden und schmiedete einen Plan.

Nach einer Woche war alles so weit. Ich hatte den Wohnungsbesitzer durch großzügige Spenden zur Ausstellung eines neuen Mietvertrages bewegen können, ein bezahlter Killer(ich wollte mir in diesem Fall die Hände nicht dreckig machen)hatte meine faschistischen Brüder umgebracht,da sie die Einzigen waren,die meine Spuren hätten finden können. Verschiedene Einrichtungs- unternehmen hatten mir allerlei Krimskrams ins Haus gebracht:Einen grossen, kippbaren Fernsehsessel,eine perfekt ausgestattete Fernseh und Videoaus- stattung inklusive eines Satelitenempfängers auf dem Dach und zu guter Letzt ein kompliziertes Gestänge aus Rohren ,Trichtern und Pumpen die ich von Mechanikern in folgender Anordnung installieren liess:Neben der Eingangstür wurde draussen auf dem Flur ein grosser Trichter an der Wand befestigt.Er war mit einem Rohr verbunden ,das durch die Wand führte und in einer Hechselpumpe mündete.Von der Hechselpumpe führte das nächste Rohr an der Decke entlang zu dem Sessel vor der Videoanlage und endete dort.Ein Stück tiefer führte ein Stutzen eine weitere Leitung in Richtung Bad und hier war eine Pumpe angebracht die den Inhalt der Leitung direkt in die Kanalisation pumpen konnte.Die Idee war folgende:Ich würde mich in den Sessel setzen und mir jeweils den eine Stutzen in den Hintern und den anderen in den Mund ein- führen ,so hatte ich bequem die eine Hand für die Fernbedienung und die andere zum kratzen frei.Zweimal am Tag würde ein Service kommen und eine genaue Menge an Essen und sehr viel Alkohol in den Trichter neben der Tür füllen.Auf Knopfdruck würde die Hechselpumpe das ganze zeug verkleinern und vermischen und mir dann direkt in den Mund pumpen.Über den Geschmack machte ich mir keine Sorgen,denn wenn 3 oder 4 gute Sachen miteinander vermischt werden ,so kann der Geschmack des einzelnen dadurch ja nicht schlechter werden,im Gegenteil,man hätte all die leckeren Geschmäcke zugleich im Mund- also eine Geschmackssteigerung!Alles ,was ich verdaut hätte würde schließlich von der Afterpumpe nahezu Spuren- und vor allen Dingen Anstrengungslos ab- gesaugt und weggespült werden.Der perfekte Zustand!Das war meine Idee vom modernen Menschen und wenn sich mein System bewähren sollte ,so beschloss ich,würde ich es der gesamten Menschheit vorstellen.Wieviele Übel könnten dadurch gelöst werden!Keine unnötigen Anstrengungen mehr,keine Langeweile, keine zerstörerische Stille,denn der fernseher muss natürlich durchlaufen und die Lösung eines der grössten Probleme der Menschheit:keine Hungersnöte mehr,man wäre ja immer direkt am Hahn!Ich wähnte mich an der Schwelle zu einer neuen Zeit,dies war die grösste Erfindung seit der Entstehung des Rades und ich war der Pionier dieser Epoche.Ich war glücklich und vollkommen ausgefüllt.Nachdem ich eine für lange Zeit reichende Überweisung an den Essensservice getätigt hatte und somit meine Versorgung gesichert war nahm ich einen letzten grossen,quasi manuellen Schluck aus meinem Eimer und setzte mich in meine Anlage.Ich führte mir die Stutzen ein und hob den Arm mit der Fernbedienung.Ich drückte auf den POWER-KNOPF : DER ENDSIEG!!!!

Epilog

"Ich war Eva Braun" Ist das tiefenpsychologische Meisterstück Pagels.
Ergreifend beschreibt er den eigenen Niedergang,die Krankheit,die Selbster- kenntnis und daraus resultierend die Genesung.Das philosophisch,epische Werk setzt sich mit der Vereinsamung des Menschen von heute auseinander und bietet am Ende überraschend einen interessanten Lösungsversuch zivilisa- torischer Probleme,der in eine bessere Zukunft weisst.Pagels hat es auf seine ganz eigene Weise geschafft uns allen einen Spiegel vor die Augen zu halten und uns zuzurufen:"Wacht auf!Macht Euch unabhängig!Das Sterben ist jedermanns eigene Sache!"Total sensibel und zugleich unheimlich witzig nimmt er uns alle bei der Hand und hilft uns aufrecht zu gehen.

EUER HORST PAGELS

http://scara.com/pagels/evabraun.html

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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeSa 19 Nov 2011 - 13:28

Lucy mit c: Mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits. Leben nach dem Tod?

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http://www.lucy-im-licht.de/Lucy_mit_C.html

Reist unsere Seele mit Lichtgeschwindigkeit ins Jenseits? Lässt sich das Phänomen der Nahtoderfahrungen erklären? Mit seiner Hypothese, dass unsere Seele mit dem Tod auf Lichtgeschwindigkeit beschleunigt wird, bringt Markolf Niemz eine ganz neue Theorie in die moderne Sterbeforschung ein. Begleitet von Lucy, der Erzählerin, begibt sich der Leser in einem Raumschiff auf einen abenteuerlichen Flug durch Raum und Zeit. Lust auf mehr? Dann anschnallen und guten Flug!

Lucy mit c ist das erste Buch der Trilogie. Mit ihm gelang dem Autor eine Platzierung in den deutschen Bestsellerlisten, obwohl dieses Buch im Eigenverlag – also ohne das unterstützende Marketing eines großen Publikumsverlags – erschienen ist. Das Geheimrezept für diesen Erfolg waren die mitunter ungewöhnlichen, aber eindrucksvoll dargestellten Analogien zwischen Erkenntnissen der modernen Physik und der Sterbeforschung. Mit einem leicht verständlichen Text, zahlreichen Abbildungen und einfachen Experimenten erhalten die Leserinnen und Leser spannende Einblicke in die Strukturen von Raum und Zeit. Seit Einstein wissen wir, dass räumliche und zeitliche Distanzen nur relativ sind: Eine bewegte Uhr läuft langsamer (Zeitdilatation), ein bewegtes Lineal erscheint kürzer (Längenkontraktion), Umgebungslicht wird gebündelt wahrgenommen (Searchlight-Effekt). Alles, was sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegt, befindet sich im Zustand der Distanzlosigkeit - das ist die naturwissenschaftliche Entsprechung zur theologischen Ewigkeit.

Lucy möchte alle Menschen ansprechen, also sowohl die Gläubigen als auch die Ungläubigen unter uns. Der ungewöhnliche Ansatz, verschiedene religiöse Überzeugungen in dasselbe Boot zu holen, hat etwas Faszinierendes. Die Gläubigen haben meines Erachtens recht, wenn sie an die Ewigkeit glauben, weil sie wirklich existiert – im Licht. Das Schöne an dieser Vorstellung ist, dass wir die Ewigkeit sogar sehen können. Und Blinde können sie immerhin als Wärme fühlen. Doch auch die Ungläubigen haben recht, wenn sie sagen, dass es kein Leben nach dem Tod gibt. Das vollkommene Jenseits kann kein Leben nach dem Tod sein, weil sich Leben stets entwickelt, also unvollkommen ist. Dieser Gedanke tut bloß dann weh, wenn wir das Ich höher bewerten als die Liebe und das Wissen. Sobald wir es schaffen, die absoluten Werte wie Liebe und Wissen höher einzustufen als das Ich, fällt das Loslassen vom Ich nicht mehr so schwer.


Bin gerade am lesen dieses Buches, welches ich vor einiger Zeit bei mir entstaubt habe, sehr interessant geschrieben, es ist ein Thema welches im Prinzip erst nach dem Tod beantwortet werden kann (oder auch nicht) aber wenn man einfach mal dieses Gedankenexperiment zulässt und darüber nachdenkt ist das großartig und macht irgendwie auch Hoffnung. Als rationaler Mensch wird einem dieses Buch nicht mal esoterisch erscheinen, aber es ist nen Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Theologie, sogar recht humorvoll geschrieben mit lustigen Selbstexperimenten, aber eben auch mit den beschriebenen Nahtod-Erfahrungen einiger Menschen die versucht haben ihre Erfahrung in Worte zu fassen. Ich kann allen dieses Buch empfehlen die sich für das wissenschaftliche aber auch geistliche interessieren.
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BeitragThema: Re: Lesestoff   Lesestoff Icon_minitimeMo 27 Feb 2012 - 17:15

10.01.2005


JUGEND
Der Tod der Königin

Im Herbst 2000 begleitete der SPIEGEL die Ausreißerinnen Anja, damals 15, und Jane, 17. Sie waren nach Berlin geflüchtet, in die Hauptstadt der Straßenkinder. Beide wurden heroinabhängig. Jane entkam dem Milieu, Anja starb an einer Überdosis. War sie nicht zu retten? Von Carsten Holm

Berlin, Alexanderplatz. Vor dem Kaufhof lungern Penner herum, die nach Schnaps stinken. Ein paar Meter neben ihnen kauern Straßenkinder im Punker-Look. Ihre Gesichter sind von Alkohol und Drogen gezeichnet, niemand ist älter als 17 Jahre. Mit heiseren Stimmen schreien sich Penner und Punker an, im Suff ist ihnen Unterhaltung anders nicht möglich. Hunde bellen, es riecht nach Schweiß und Urin. Angewidert schlagen Passanten einen Bogen um die Schar der Gescheiterten.

Hier ist ganz unten. Tiefer geht es nicht in Deutschland.

Punkerin Doro, 17, schmiegt sich an ihren Hund Fufo, zärtlich gleiten ihre Finger mit den schwarzlackierten Nägeln durch das Fell. Mühsam hält sie die Augen offen. "''Braun'' habe ich überlebt", sagt Doro. "Braun" ist Heroin. Ihr Elend betäubt sie nur noch mit Bier und Lambrusco, aber vom Fixen blieb ihr eine akute Hepatitis C. In zwei Jahren werde ihre Leber streiken, dann müsse sie sterben, hat ein Arzt prognostiziert. "Das ist dann auch egal. Zwei Jahre noch. Und dann bin ich dort, wo Anja ist", sagt Doro.

Die Geschichte der Anja Schatz ist unvergessen in der Szene der Berliner Straßenkinder. Sie fiel auf in den Pulks der Ungewaschenen, die Körperpflege "un-

cool" finden. Geduscht, frisiert und stets mit sauberen Jeans und T-Shirts machte sie Rast, wenn sie sich am Alexanderplatz, an der Gedächtniskirche, im Mauerpark auf dem Prenzlauer Berg oder am Kottbusser Tor erholen wollte vom Schnorren, vom Babystrich und von all den anderen Anstrengungen des Lebens auf der Straße.

Mädchen wie Doro sprechen respektvoll von Anja. "Sie hat nie jemanden beklaut, bei dem sie pennte", sagt sie. Männer wie Andy, 28, der "mal kurz was mit ihr hatte", schwärmen von ihrer "irren Ausstrahlung" - von ihrem Lächeln, ihrem Charme, ihrem Witz.

Anja war heroinabhängig. Für die Junkies war sie eine Lichtgestalt. Denn auch sie hatte "Braun" überlebt, fünf Jahre lang.

"Man sah, dass es geht", sagt Doro.

Das Leben der Anja Schatz endete mit einem Nadelstich. Besucher einer Discothek fanden sie in der Nacht zum 31. Oktober 2003, einem Freitag, kurz nach Mitternacht in einem sogenannten City-Klo an der Dircksenstraße in Berlin-Mitte. Sie lag regungslos am Boden. Als die Polizei um 0.15 Uhr eintraf, war sie tot. Sie hatte sich den goldenen Schuss gesetzt, eine Überdosis aus einem Mix harter Drogen.

Anja Schatz wurde 18 Jahre alt.

Es hat ein Jahr gedauert, bis Birgit Schatz, 51, mit einem Fremden sprechen konnte über den langen Weg ihrer Tochter in den Tod. Jetzt sitzt sie in ihrer Wohnung in einer badischen Stadt. "Es war furchtbar, sie nicht aufhalten zu können", sagt die Mutter. Sie presst ihre Hände gegeneinander, regungslos, leer, wie steinern wirkt ihr Gesicht. Sie hat keine Tränen mehr.

"Man kann so etwas nicht aushalten. Man versucht, irgendwie weiterzuleben", sagt Birgit Schatz.

Anja war am 29. April 1998, einem Mittwoch, ausgerissen. Sie war das jüngste von vier Kindern, die drei älteren Geschwister waren aus dem Haus. Die Familie stammte aus Halle an der Saale, nach mehreren Ortswechseln lebte Anja damals mit ihrer Mutter in Michelstadt im Odenwald. "Mama, morgen muss ich gehen", hatte sie tags zuvor angekündigt, als sie aus der Realschule nach Hause kam. Ernst genommen hat Birgit Schatz diese Worte nicht: "Wir haben uns immer gut verstanden. Streit gab es nur darum, wann Anja am Abend zu Hause sein sollte."

Als Anja verschwunden war, erstattete ihre Mutter Vermisstenanzeige. Bald spürten Polizisten die Tochter in Berlin auf, sie

wurde zu ihrer Mutter zurückgebracht. So ging es mehr als 30-mal. Dann riet ihr das Jugendamt, hinzunehmen, dass Anja in Berlin leben wolle. Auch mit Hilfe der Polizei werde sie es nicht verhindern können.

Anja wurde ein Straßenkind, eines von Hunderten, die aus Elternhäusern oder Kinderheimen nach Berlin flüchten - in die Hauptstadt der Straßenkinder.

Da war sie 13 Jahre alt.

Schnell lernte sie die legalen und die illegalen Überlebenstechniken der Kids: Schnorren in der U-Bahn, Klauen in Kaufhäusern. Und sie genoss es am Abend, dabei zu sein, wenn die Punks sich mit ihren Hunden und mit Dosenbier vor die Gedächtniskirche setzten wie auf eine Bühne. Zärtlich küssten sie ihre Ratten, andächtig schauten sie den Breakdancern zu.

"Eine geile Stadt, du triffst immer geile Leute. Und dann im Sommer acht Wochen Urlaub am Wannsee mit 15 Punks und 20 Hunden, einfach geil", sagte Anja im Herbst 2000. Da begleitete der SPIEGEL eine Zeit lang einige Ausreißer in Berlin. Zweieinhalb Jahre war sie da schon auf der Straße, zweieinhalb Jahre hatte sie mit ihrem Freund Stöpsel, 16, einem Punk aus dem brandenburgischen Spremberg, "die totale Party, 365 Tage im Jahr", erlebt.

Anja war clean, ein paar Monate schon schien sie ihre Heroinsucht überwunden zu haben. Sie wolle nach jahrelanger Schulschwänzerei den Realschulabschluss machen, kündigte sie an. "Und mit Stöpsel will ich alt werden."

Da war sie gerade 15 Jahre.

"Ich habe mir den Kopf darüber zermartert, wovor Anja geflüchtet ist", sagt Birgit Schatz heute. Drei Kinder hatte sie schon großgezogen, "oft zu streng". Mit Anja wollte sie großzügiger sein. "Aber dass ich eine 13-Jährige nach acht Uhr abends nicht aus dem Haus lasse, ist doch nicht zu streng, oder?", fragt die Mutter.

Sie weiß nicht mehr, was richtig und was falsch war in ihrer Erziehung.

Zu DDR-Zeiten, in Halle an der Saale, hatte die sechsköpfige Familie Schatz ihr Auskommen. Die Frau arbeitete als Verkäuferin, ihr Mann war Kraftfahrer. 1989 wurde zum Schicksalsjahr der Familie. Anjas Vater starb binnen drei Monaten an Magenkrebs. Wenig später ging es mit dem Großvater zu Ende.

"Anja war fünf, als ihr Vater starb. Sie liebte ihn über alles. Sie hat seinen Tod nie verkraftet", sagt Birgit Schatz.

Vielleicht wäre das Leben der Familie weiter in geordneten Bahnen verlaufen, wenn nicht im selben Jahr die DDR zusammengebrochen wäre. Denn von den Segnungen des Kapitalismus hat Anjas Mutter nicht profitiert. Sie wurde arbeitslos und hatte Mühe, ihre Kinder durchzubringen. Nach Jahren vergeblicher Arbeitssuche im Osten siedelte sie 1993 mit ihren beiden jüngsten Kindern in den Westen über. Sie bekam eine Stelle als Verkäuferin in Frankfurt am Main. Mehrfach wechselte sie die Arbeitsstelle, mehrfach zog sie um. Inzwischen ist sie Managerin eines Fast-Food-Restaurants.

"Anja ist nirgendwo heimisch geworden. Aber was hätte ich anders machen sollen? Ich habe die Arbeit genommen, die ich bekam", sagt Birgit Schatz.

Ihr Leben schien leichter zu werden, als sie sich 1995 in einen hessischen Arbeiter verliebte und Anja, die nun allein bei ihr wohnte, sich scheinbar gut mit ihm verstand. Nach der Heirat zogen die drei nach Michelstadt im Odenwald. Die Ehe zerbrach, als Birgit Schatz 2000 ohne ihren Mann nach Berlin zog. "Ich musste da leben, wo Anja lebte. Ich habe so gehofft, dass sie ihr Leben auf der Straße aufgibt, zu mir zieht und wieder zur Schule geht", sagt sie.

Anja war sieben Monate auf der Straße, als sie im Dezember 1998 im Fernsehen, bei "Vera am Mittag", die Vorzüge ihrer Obdachlosigkeit pries. "Man hat mehr Freiheit, wenn man auf der Straße ist", schwadronierte die pausbäckige 13-Jährige mit heller, kindlicher Stimme. Wenn "kein Aufpasser" da sei, könne sie sich "frei entscheiden".

Birgit Schatz hatte sich von den Fernsehleuten überreden lassen, ebenfalls in der Sendung aufzutreten. Sie ertrug, was Teilnehmer solcher Runden ertragen müssen: oberlehrerhafte Erziehungstipps, platte Anklagen wegen ihres angeblichen Versagens.

Vor ein paar Tagen erst fand die Mutter Hinweise auf ein weiteres Motiv für Anjas Flucht. Als sie Kartons öffnete, in denen Berliner Sozialarbeiter die letzte Habe ihrer Tochter aufbewahrt hatten, stieß sie auf ein Foto von ihrer Hochzeit mit dem Arbeiter aus Hessen. Es zeigt ein glückliches Brautpaar. Birgit Schatz strahlt in weißem Schleier, vor dem Paar steht eine riesige Hochzeitstorte.

Im Gesicht ihres Bräutigams aber klafft ein kreisrundes Loch. Anja hat es mit einer glühenden Zigarette herausgebrannt. Sie muss den Mann, den ihre Mutter liebte, gehasst haben. "Ich habe das nicht geahnt. Sie hat immer so getan, als ob sie gut mit ihm klarkäme", sagt Birgit Schatz.

Auf ihrer Flucht nach Berlin war Anja am Bahnhof Zoo ausgestiegen, der Endstation der Ausreißer. Drei Gruppen von Menschen kreisen dort wie Greifvögel auf der Suche nach Beute: schwule Päderasten und heterosexuelle Freier, für die 18-Jährige schon zum alten Eisen gehören, sowie Dealer, die nach neuen Kunden gieren. Die Verhältnisse sind geregelt. Die Dealer sorgen dafür, dass die Kinder von Heroin abhängig werden, die Freier freuen sich darüber, weil die Opfer ihr Geld brauchen.

Es dauerte nur ein paar Tage, bis Anja im Frühling 1998 in Berlin ins Taumeln geriet. Während ihre Michelstädter Schulfreunde in jenem Jahr "Harry Potter und der Stein der Weisen" lasen, erste scheue Schminkversuche wagten und am Wochenende brav Ausflüge mit ihren Eltern machten, streunte Anja mit Punks durch Berlin. Sie war obdachlos, sie übernachtete mal hier und mal dort. Ihre Drogenkarriere verlief musterhaft: erst Haschisch, dann Heroin und Kokain.

"Es ist cool, was der Körper so aushält", sagte Anja im Herbst 2000 zum SPIEGEL, nach zweieinhalb Jahren Heroin.

Im Nachlass ihrer Tochter hat Birgit Schatz Aufzeichnungen über Anjas Einstieg in die Welt des Heroins gefunden. Es habe sie, schrieb sie, "einfach gereizt zu spritzen. Dieses Gefühl, Heroin im Blut zu haben, war entspannend, ruhig, aber trotzdem auf eine Art aggressiv. Seit meinem ersten Druck war für mich nur noch das Heroin im Vordergrund".

"Es ging ziemlich schnell bei Anja. Sie war bald drauf auf den harten Sachen", sagt Jane, die an jenem April-Tag, als Anja nach Berlin kam, mit etlichen Punks am Zoo stand. "Sie mischte sich unter uns, und wir mochten sie", sagt Jane, damals 15. Später, als sie sich eingelebt hatte, habe Anja sich mitunter "aufgeführt wie die Königin der Straßenkinder. Aber irgendwie war sie es auch".

Gemeinsam zogen die Mädchen durch die Parks, Anja mit ihren Mischlingen Joint und Oi, Jane mit Babi und Fuchur. Die Freundinnen besuchten "Konzis", Konzerte von Punkgruppen wie "Daily Terror", sie schnorrten auf Straßen und in U-Bahnen. "Du kannst den reinsten Luxus haben, du darfst nur kein Problem damit haben, dass du ein Schmarotzer bist. Ich bin schon im Schleim ersoffen beim Schnorren, aber in drei Stunden hab ich 70 Mark zusammen", berichtete Anja damals über ihr Leben.

Jane war aus einem Dorf in Brandenburg nach Berlin geflohen, ein paar Monate vor Anja. Oft schlief sie allein im Tiergarten, und wenn sie sich einsam fühlte und fror in der Nacht, presste sie sich an das Fell ihrer Hunde, um sich zu wärmen.

Anja und Jane liebten ihren Dealer, einen Libanesen, weil er das Glück eines Augenblicks in kleinen Kugeln in seiner Tasche trug. Und sie hassten ihn, weil sie wussten, dass sie in einem dieser Augenblicke sterben könnten.

Die Mädchen hatten manches gemeinsam. Sie störten sich an dem Dreck der Szene, an den schmutzigen Zimmern, in denen sie übernachteten, am Schweißgeruch der Punks. Es ekelte sie, dass viele ihre "Schleppe", eine ansteckende Hauterkrankung, die durch mangelnde Hygiene entsteht, lieber am Arztmobil der Caritas behandeln ließen, anstatt sich zu waschen.

Immer mal wieder hielten Jane und Anja Tage, sogar Wochen ohne "Braun" aus. "Stolperclean" nennen Streetworker diese Phasen von Drogenabhängigen, stolperclean waren beide Mädchen, als die Berliner Sozialarbeiterin Bärbel Beck, 42, sie im Herbst 1998 auflas.

"Sie hatten beide eine gute Chance zu überleben", sagt Beck.

Die Mädchen fassten Vertrauen zu der burschikosen Streetworkerin mit keckem Nasenpiercing, die für die Treberhilfe arbeitet. Die Hilfsorganisation zählt zu den sogenannten niedrigschwelligen Hilfsprojekten, sie nimmt das Leben auf der Straße, wie es ist - und die Drogensucht der Kinder erst einmal hin.

Für Anja und Jane stellte Beck, wie üblich, bei den Jugendämtern der Kommunen, aus denen die Mädchen stammten, einen Antrag auf Übernahme der Betreuungskosten. Das hessische Amt etwa, das für Anja zuständig war, erhielt einen sogenannten Hilfeplan. Beck beschrieb darin, was sie mit der Ausreißerin vorhatte. "Sesshaft werden" war das erste Ziel ihrer Betreuung. Die Treberhilfe mietete Wohnungen für Anja und Jane. Dann sollten sie einen Entzug, danach eine Therapie machen.

Der Staat gab viel Geld aus, um das Leben der Mädchen zu retten. Knapp 6000 Mark zahlte das zuständige Amt allein für die 80 Stunden pro Monat, die sich Beck im Auftrag der Treberhilfe um Anja kümmerte, dazu rund 700 Mark Wohnungsmiete. Anja und Jane wurden wöchentlich knapp 150 Mark Hilfe zum Lebensunterhalt und eine Kleiderpauschale von monatlich rund 70 Mark ausbezahlt. "Die Kunst ist zu verhindern, dass die Kinder die Hilfen nur kassieren, um ihre Drogen zu bezahlen", erklärt Beck.

Jane gelang der Ausstieg. "Sie war so stabil geworden, dass sie es aus eigener Kraft geschafft und durchgehalten hat", sagt ihre frühere Betreuerin.

Mit pink- und rotgefärbten Haaren, mit ein paar Piercings an der Nase und am Kinn sitzt Jane heute fröhlich in einem Kreuzberger Straßencafé. Sie hat Friseurin gelernt, wegen einer Allergie muss sie sich jetzt aber einen anderen Beruf suchen.

Jane glaubt, das Geheimnis der wenigen zu kennen, die den Ausstieg schaffen. "Wer Freunde hat, die harte Drogen nehmen, hat keine Chance. Wenn ich einen Mann kennen lerne, der noch in die Drogenszene verstrickt ist, mache ich sofort dicht", sagt sie.

Anja hat so einen Bruch mit der Szene nie vollziehen können. Jahrelang war sie mit Stöpsel zusammen, der ebenfalls 13 Jahre alt war, als er nach Berlin türmte. Auch er nahm Heroin.

Anja bäumte sich auf gegen ihre Sucht, das schon. Sie träumte davon, Lehrerin zu werden. Als sie im Jahr 2000 eine Weile clean war, versuchte sie beim Berliner Schulprojekt "Nachschlag" zunächst den Hauptschulabschluss. Nach ein paar Tagen gab sie auf.

Anfangs hatte Bärbel Beck geglaubt, dass Anja eine größere Chance als Jane haben würde, heil herauszukommen aus dem Leben mit den Drogen, weil sie eine enge Beziehung zu ihrer Mutter pflegte. Oft schrieb das Mädchen nach Michelstadt.

"Ich würde gern zurückkommen, aber ich kann es nicht mehr. Ich sitze hier in einer Ecke in Berlin und weine und möchte gerne bei Dir sein. Aber ich kann nicht. Und ich weiß genau, dass Du jetzt auch weinst", heißt es in einem seiner Briefe.

Fünfmal versuchte Anja einen Entzug, jedes Mal scheiterte sie. Mehrfach war sie in einer brandenburgischen Drogenklinik untergebracht, aber nicht einmal Schneestürme und Temperaturen von minus zehn Grad hielten sie davon ab zu flüchten. Reumütig stand sie dann vor ihrer Betreuerin: "Nicht schimpfen, Bärbel."

Beck hat sich oft gefragt, warum Jane dem Milieu entkam und Anja nicht. "Vielleicht hat Jane es gepackt, weil sie 15 war, als sie auf die Straße ging, zwei Jahre älter als Anja. Da sind die Kids gefestigter. Jane hatte aber auch einen stärkeren Willen", sagt die Streetworkerin.

Hätte Anja eine größere Strenge besser getan? Hätte Bärbel Beck ihr etwa mit dem Rauswurf aus ihrer Wohnung drohen sollen, als sie dort bei einem überraschenden Hausbesuch verkohltes Stanniolpapier entdeckte - ein untrügliches Indiz für das Aufkochen von Heroin? "Vielleicht war ich zu weich, vielleicht wäre Härte für Anja die bessere Methode gewesen", sagt Beck. "Ich weiß es nicht.

Aber wer diese Arbeit macht, gerät oft an seine Grenzen."

Es war Anjas 16. Geburtstag, als Birgit Schatz ihre Tochter besuchte und sie in einer der fürchterlichsten Stunden erlebte. Die Mutter hatte Lebensmittel und Süßigkeiten im Gepäck, verweint öffnete Stöpsel die Wohnungstür. "Anja lag auf der Couch, vollkommen high und hilflos wie ein schwerbehindertes Kind. Sie hat mich nicht erkannt", erinnert sich die Mutter.

"Man kann nur warten", sagte Stöpsel.

Anja hatte genässt, Speichel lief aus ihrem Mund. Die Wohnung stank nach Müll, nach Urin, nach Erbrochenem. Birgit Schatz nahm ihre Tochter in die Arme und versuchte, sie zu waschen. Eine Woche später rief Anja an und bat um Verzeihung. "Es tut mir leid, dass ich dich schon wieder enttäuscht habe", hatte sie ihr zuvor geschrieben. "Ich war gerührt", sagt Birgit Schatz.

Sie wusste, dass ihre Tochter auf dem sogenannten Babystrich an der Kurfürstenstraße anschaffen ging, um ihre Drogen bezahlen zu können. "Es ist das Schrecklichste für eine Mutter, sich das vorstellen zu müssen", sagt Birgit Schatz. "Die sind alle pervers da", erzählte Anja ihr. "Aber soll ich verhungern, Mama?", fragte sie.

Im Frühjahr 2002 hatte die Punkerin noch eineinhalb Jahre zu leben - aber da war sie wohl schon verloren. "Nach jedem Entzug stürzte sie schneller ab", sagt Bärbel Beck. Es klang düster, aber es war realistisch, als die Treberhilfe dem zuständigen Jugendamt am 25. April 2002 schrieb, "Zweck der Betreuung" sei nur noch, "Anja eine Überlebenshilfe zu geben".

Sie schaffte es nicht, eine Behandlung mit Methadon durchzuhalten. Nur zweimal holte sie sich die Ersatzdroge von einem Arzt ab. Nun lief den Streetworkern die Zeit davon: Anjas 18. Geburtstag stand bevor, der 12. Dezember 2002 sollte ein Schicksalstag für das Mädchen werden. Wenn drogenabhängige Jugendliche zu Erwachsenen werden und Hilfsangebote boykottieren, entzieht der Staat ihnen die Betreuung und bezahlt auch ihre Miete nicht mehr. Kurz bevor Anja volljährig wurde, versuchte die Treberhilfe deswegen noch eine Zwangseinweisung zum Entzug. Es klappte nicht, weil Anja ihre Hündin nicht mitbringen durfte und ein Leben ohne das Tier ihr nicht lebenswert erschien. "Das kann man nicht begreifen, wenn man nicht weiß, dass die Kids ihre Hunde für die besseren Menschen halten", sagt Beck.

Nun wurde der Drogenfall Schatz, den Vorschriften entsprechend, abgewickelt. "Anja war nicht bereit, sich mit ihrer Suchterkrankung auseinander zu setzen. Sämtliche Unterstützungsangebote lehnte sie ab. Sie ist ihrer Mitwirkungspflicht bezüglich der Hilfeplanerzielung nicht nachgekommen", schrieb die Treberhilfe an das Jugendamt. Und: "An dieser Stelle möchten wir ausdrücklich betonen, dass wir zu der Einschätzung gekommen waren, dass Anja ihr Leben in hohem Maß selbst gefährdet. Anja wurde am 11. Dezember in die Obdachlosigkeit entlassen."

Ihre Wohnung wurde gekündigt. Sie suchte sich wieder, wie in ihren Anfangstagen in Berlin, irgendwo eine Bleibe, fast immer in der Drogenszene.

Dass die Kündigung einem Todesurteil gleichkam, hält auch Bärbel Beck für möglich. "So furchtbar das war: Wir hatten keine Wahl", sagt sie. Verweigere ein drogenabhängiger Jugendlicher, der volljährig wird, alle Hilfe, verlangten die Vorschriften, seine Wohnung zu kündigen und ihn aus der Betreuung zu entlassen. Das klingt nicht herzlos, es klingt nicht einmal verzweifelt - es spricht die Erfahrung von acht Jahren Drogenarbeit aus ihr, in denen sie den Tod von elf jungen Menschen miterlebt hat. "Wir haben alles getan, um Anja zu retten. Aber es gibt hoffnungslose Fälle. Vielleicht haben wir ihr ein paar Jahre geschenkt", sagt Beck.

Anja trennte sich von Stöpsel. Sie verliebte sich in ihren Cousin Martin H. Er war zehn Jahre älter als sie. Er lebte ebenfalls auf der Straße - und war gewiss niemand, der ihr helfen konnte.

Vielleicht gab es noch einmal eine kleine Überlebenschance für sie. Martin saß, bis zum Frühjahr 2003, wegen diverser Delikte eine mehrmonatige Gefängnisstrafe ab. Tagsüber verkaufte Anja auf der Potsdamer Straße Obdachlosenzeitungen und am Abend, in der nahen Kurfürstenstraße, ihren Körper.

Der Berliner Künstler Frank Wohlgemuth**, 45, ein Avantgardist, der sich in Nischen des Kunstbetriebs durchschlägt, kaufte Zeitungen bei ihr. Er kam mit ihr ins Gespräch, und zwischen den beiden entstand eine ungewöhnliche Freundschaft.

"Es war eine tiefe Begegnung, die zu meinen beeindruckendsten Erfahrungen gehört", sagt Wohlgemuth. Der schlaksige Bohemien mit schütterem Haar, 27 Jahre älter als Anja, war "in einer depressiven Phase und offen für so jemanden". Er hatte weder eine Freundin noch Hoffnung für seine Zukunft. Er interessierte sich für die junge Frau, er war fasziniert von ihren lebhaften Schilderungen des Milieus: "Sie war eine meisterhafte Erzählerin. Ich hab sie animiert, ein Buch zu schreiben."

Anja gab preis, wie sehr sie litt auf dem Strich. Verzweifelt rief sie ihn an, als ein Freier sie im Auto verprügelt hatte.

"Der Strich hat sie fertiggemacht", sagt Wohlgemuth.

An Anjas besseren Tagen machte er in Parks Fotoserien von ihr, an ihren schlechtesten, als sie etwa im Januar 2003 mit einer Lungenembolie wochenlang in der Charité lag, war er der einzige Besucher. Der Künstler und das Mädchen vom Drogenstrich waren, für ein paar Monate, die wichtigsten Menschen füreinander.

Als Anja aus der Charité entlassen wurde, zog sie in Wohlgemuths Wohnung. Sie erlebten das kleine Glück der Einsamen, die sich Aufmerksamkeit schenken, ohne viel zu erwarten: Wohlgemuth bereitete in der Küche Palatschinken mit Marmelade zu, Anja saß auf der Couch vor dem Fernseher. Ihre Habseligkeiten, nicht mehr als eine kleine Tasche, das Spritzbesteck und die Drogen, lagen auf einem halbwegs geordneten Haufen am Boden.

Anja versteckte die dunklen Seiten ihrer Welt nicht vor Wohlgemuth. Sie ließ ihn zusehen, wenn sie ihre Cocktails aus Heroin und Kokain mixte, braun die eine Substanz, weiß die andere. Und er war zur Stelle, als sie sich einmal mit der Dosis vertat, vom Sofa des Künstlers fiel und wie tot liegen blieb. Wohlgemuth bespritzte sie mit Wasser und klopfte sie behutsam wach.

Wohlgemuth versuchte, Anja an seine Welt heranzuführen. Er nahm sie mit auf eine Vernissage. Aber dieses Milieu blieb ihr fremd. Anja störte sich daran, "dass da nur Spießer rumstehen". Der Mann gab nicht auf. Er legte ihr Bücher hin. Sie verschlang Michel Houellebecqs "Plattform". Es ist die Geschichte eines frustrierten Beamten im Pariser Kulturministerium, der eine Pauschalreise nach Thailand bucht, um sich mit käuflichem Sex abzulenken. Der Beamte lernt eine Mitreisende kennen, und beide entwickeln eine Theorie über das Glück: Jeder muss einbringen, was er besitzt - die einen Geld, die anderen ihren Körper.

"Es war keine Liebe, wir hatten nichts miteinander. Aber es war eine große Nähe da, trotz des Altersunterschieds", sagt der Künstler, und man mag es ihm glauben. Er fragt sich heute, ob es richtig war, ein solches Vertrauensverhältnis aufzubauen mit einem Mädchen aus dem Milieu - und ob es richtig war, Anjas Drogensucht zu finanzieren. Er gab ihr 25 bis 50 Euro am Tag, "damit sie nicht auf den Strich musste". Immerhin spritzte sie in den vier Wochen, die sie bei ihm lebte, ein Drittel weniger. "Ich hoffte, dass ihr Leben eine andere Wendung nehmen würde", sagt Wohlgemuth.

Aber dann, im Frühjahr 2003, kam ihr Cousin Martin aus dem Gefängnis. "Du hast dich ein paar Monate um Anja gekümmert, jetzt kümmere ich mich wieder", kündigte Martin mit warnendem Unterton an.

"Der war ein harter Typ", erinnert sich Wohlgemuth. Anja bat ihn, ihrem obdachlosen Cousin ebenfalls Unterschlupf zu gewähren. Wohlgemuth, der Anja nie Grenzen gesetzt hatte, sagte nein. Sie bestrafte ihn mit einer monatelangen Kontaktsperre. "Für sie war ich nun auch Spießer", sagt Wohlgemuth.

Ende Oktober, kurz vor ihrem Tod auf dem City-Klo, besuchte Anja ihren Künstlerfreund noch einmal. Sie bettelte um Geld. Er gab ihr nichts. Sie flehte ihn an. Er blieb hart. Was sie denn täte, wenn jemand sie um Geld für Drogen bitten würde, fragte er. "Ich würde nein, nein, nein sagen", antwortete Anja. Da gab Wohlgemuth ihr zehn Euro.

Martin H. ertrug das Leben ohne Anja nur wenige Wochen. Am Vormittag des 26. Januars 2004 fanden Bewohner eines Mehrfamilienhauses im Stadtteil Lichtenberg seinen Leichnam in einem selten betretenen Müllschluckerraum. Er lag dort "in fäulnisverändertem und mumifiziertem Zustand neben einem ebenfalls teilverwesten Kampfhund", wie die Staatsanwaltschaft im Todesermittlungsverfahren festhielt.

H. hatte sich zum Sterben neben einen Müllschlucker gelegt. Mit einer Überdosis Kokain setzte er sich den goldenen Schuss. Neben der Leiche lagen eine Spritze, eine Kanüle und ein Abschiedsbrief. Martin H. bat darin, an der Seite seiner "Cousine, besten Freundin und vor allem Verlobten Anja Schatz beerdigt zu werden".

Als Anja starb, war sie im fünften Monat schwanger von ihm.
* Im Februar 2001 im Drogenrausch auf dem City-Klo an der Dircksenstraße in Berlin-Mitte, wo sie am 31. Oktober 2003 starb. * Im Herbst 2003 am sowjetischen Ehrenmal in Berlin-Treptow. * Aus dem Hochzeitsfoto hat Anja das Gesicht des Stiefvaters mit einer glühenden Zigarette herausgebrannt. * Mit seinen Hunden im Berliner Tiergarten. * Im Herbst 2000 in ihrer von der Berliner Treberhilfe angemieteten Wohnung. ** Name von der Redaktion geändert.

DER SPIEGEL 2/2005
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