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 Anleitung zum Unglücklichsein

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BeitragThema: Anleitung zum Unglücklichsein   Anleitung zum Unglücklichsein Icon_minitimeDo 5 Apr 2012 - 19:21

Anleitung zum Unglücklichsein Tumblr_lkaipraB161qgnp24o1_500

Paul Watzlawicks kleiner Band Anleitung zum Unglücklichsein bricht rigoros mit der Vorstellung, Ziel des Menschen sei das Streben nach Glück. In Form von Metaphern, Aphorismen, Anekdoten und hintergründigen Geschichten beschreibt Watzlawick in amüsanter und ironischer Art die vielfältigen Möglichkeiten, den eigenen Alltag unerträglich zu gestalten und trivialen Ereignissen eine außergewöhnliche Bedeutung beizumessen. Voraussetzungen: Als theoretischer Hintergrund des Buchs dienten die Erkenntnisse der so genannten Palo-Alto-Schule, zu deren Mitinitiatoren Watzlawick gehört. Die dort entstandene Kommunikationstheorie wurde im Wesentlichen aus der Erforschung von Paradoxien der menschlichen Kommunikation und ihrer Störungen gewonnen.

Watzlawick entwarf mit diesem Buch ein radikales Gegenstück zu der – vor allem in den USA – weit verbreiteten Ratgeberliteratur und zeigt auf, wie man sein Leben unerträglich gestalten kann. Hintergrund des Buchs sind die Erkenntnisse der Palo-Alto-Schule, zu deren Mitbegründern Watzlawick gehörte. Der Piper-Verlag schreibt in seiner Vorbemerkung zu diesem Buch: „Jeder Leser dürfte etwas von sich selbst in diesem Buch wiederfinden — nämlich seine eigene Art und Weise, den Alltag unerträglich und das Triviale enorm zu machen.“

„Was kann man nun von einem Menschen […] erwarten? Überschütten Sie ihn mit allen Erdengütern, versenken Sie ihn in Glück bis über die Ohren, bis über den Kopf, so daß an die Oberfläche des Glücks wie zum Wasserspiegel nur noch Bläschen aufsteigen, geben Sie ihm ein pekuniäres Auskommen, daß ihm nichts anderes zu tun übrigbleibt, als zu schlafen, Lebkuchen zu vertilgen und für den Fortbestand der Menschheit zu sorgen — so wird er doch, dieser selbe Mensch, Ihnen auf der Stelle aus purer Undankbarkeit, einzig aus Schmähsucht einen Streich spielen. Er wird sogar die Lebkuchen aufs Spiel setzen und sich vielleicht den verderblichsten Unsinn wünschen, den allerunökonomischsten Blödsinn, einzig um in diese ganze positive Vernünftigkeit sein eigenes unheilbringendes phantastisches Element beizumischen. Gerade seine phantastischen Einfälle, seine banale Dummheit wird er behalten wollen …“ – Fjodor Michailowitsch Dostojewski


Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt die Volksweisheit, wenn sie behauptet, nichts sei schwerer zu ertragen als eine Reihe von guten Tagen. Doch die Frage, was Glück eigentlich ist, bleibt unbeantwortet. Terentius Varro zählte nicht weniger als 289 Ansichten darüber, was Glück sei. Die großen Schöpfungen der Weltliteratur bestehen aus Unglück und Tragödien. In Dantes Göttlicher Komödie sei das Inferno genialer als sein Paradiso; „Faust I rührt zu Tränen, Faust II zum Gähnen“. Aber auch den Tieren geht es nicht besser: Im Zoo sind sie vor Hunger, Gefahr und Krankheit geschützt und werden zu Neurotikern.

Wenige Bücher tauchen vermutlich bei sowohl Stammtischdiskussionen als auch während zwischenmenschlichen Auseinandersetzungen so häufig und explizit auf wie diese Anleitung. Der Titel ist tatsächlich so gemeint: Watzlawick beschreibt detailliert Wege, sich und andere in das tiefe und nie endende Unglück zu stürzen. Krankheiten, die unterstellte Böswilligkeit anderer und implizierte Motivationen geben niemandem eine Chance, in irgend einer Weise glücklich, zufrieden oder auch nur sympathisch zu erscheinen.

Wer nun aber doch eher glücklich sein möchte, sollte sich der Ironie Watzlawicks und den zwischenzeiligen Gedankengängen nicht verschließen. Umgekehrte Vorzeichen machen aus diesem Werk eine durchaus anwendbare Anleitung zum Glück - oder zumindest doch einen kleinen Schritt darauf zu. Man muss die Sätze lediglich gegenteilig verstehen. Ein Buch für Mitdenker, die sich nicht scheuen, an ihre eigenen (falschen) Reaktionen erinnert zu werden. Zwischenmenschliche Psychologie leicht gemacht, humoristisch verpackt und mit tiefem gedanklichen Nachgeschmack - wer sich beim Lesen lachen und beim Nachdenken weinen hören möchte, sollte sich dieses Buches unbedingt annehmen.


•Vier Spiele mit der Vergangenheit
Die Verherrlichung der Vergangenheit („früher war alles besser“): Eine einfache Methode, sich das Leben selbst zu vergällen, ist es, zurückliegende Ereignisse zu idealisieren und sich über die Gegenwart zu ärgern. Dies belegt der Autor mit Anekdoten und erbaulichen Geschichten.

•Frau Lot
Die Geschichte um Frau Lot steht im Alten Testament: Der Engel sagt zu Lot und seinen Angehörigen: „Rette dich, es gilt dein Leben. Schaue nicht hinter dich, bleibe nirgends stehen.“ […] Seine Frau aber schaute zurück und wurde zu einer Salzsäule.“

Ein „Vorteil“ des Festhaltens an der Vergangenheit ist, dass man weniger Zeit bzw. Aufmerksamkeit für die Gegenwart und das Mit-ihr-Auseinandersetzen hat. Auch gibt es in der Vergangenheit keine Spannung durch Ungewissheit – man weiß, wie „es“ ausgegangen ist (siehe auch Realitätsflucht).

•Das schicksalhafte Glas Bier
In seinem Film The Fatal Glass of Beer (Das verhängnisvolle Glas Bier) zeigt W. C. Fields den unaufhaltsamen Niedergang eines jungen Mannes, der der Versuchung nicht widerstehen kann, sein erstes Glas Bier zu trinken.

•Der verlorene Schlüssel oder „mehr desselben“
Ein Betrunkener sucht unter einer Straßenlaterne seinen Schlüssel. Ein Polizist hilft ihm bei der Suche. Als der Polizist nach langem Suchen wissen will, ob der Mann sicher sei, den Schlüssel hier verloren zu haben, antwortet jener: „Nein, nicht hier, sondern dort hinten – aber dort ist es viel zu finster.“

•Russen und Amerikaner
Von der Anthropologin Margaret Mead stammt die Scherzfrage, was der Unterschied zwischen einem Russen und einem Amerikaner sei. Der Amerikaner neige dazu, Kopfweh vorzuschützen, um sich einer gesellschaftlichen Verpflichtung zu entziehen; der Russe hingegen muss tatsächlich Kopfweh haben.

•Die verscheuchten Elefanten
Ein Mann klatscht alle zehn Sekunden in die Hände. Nach dem Grund für dieses Verhalten befragt, erklärt er: „Um die Elefanten zu verscheuchen.“ Auf die Bemerkung, dass es hier gar keine Elefanten gebe, antwortet er: „Na, also! Sehen Sie?“ Watzlawick wollte damit darauf hinweisen, dass der konsequente Versuch, ein Problem zu vermeiden, in Wahrheit zur Verewigung führt.

•Selbsterfüllende Prophezeiungen
Die Annahme, dass andere sich heimlich über einen lustig machen, führt durch verstärktes Augenmerk auf verdächtige Anzeichen mit der Zeit dazu, dass die Prophezeiung sich erfüllt („self-fulfilling prophecy“).

•Vor Ankommen wird gewarnt
Von George Bernard Shaw stammt der berühmte Aphorismus: „Im Leben gibt es zwei Tragödien. Die eine ist die Nichterfüllung eines Herzenswunsches. Die andere ist seine Erfüllung.“ Mit dem Ankommen am Ziel ist auch die Gefahr des Katzenjammers verbunden.

•Wenn du mich wirklich liebtest, würdest du gern Knoblauch essen
Eine weitere gute Quelle für persönliches Unglück sind Missverständnisse in der Partnerschaft. Angenommen eine Frau fragt ihren Mann, ob ihm die nach neuem Rezept gekochte Suppe schmecke, dieser aber die Suppe scheußlich findet, aber seine Frau nicht kränken will. Wenn er nun sagt: „Schmeckt interessant“, sind die Chancen minimal, dass seine Frau ihn richtig versteht.

•„Sei spontan!“
Die so genannte „Sei spontan!“-Paradoxie ist eine allen formallogischen Anforderungen entsprechende Paradoxie, denn es ist unmöglich, auf Befehl etwas spontan zu tun oder vorsätzlich etwas zu vergessen.

•Wer mich liebt, mit dem stimmt etwas nicht
Groucho Marx sagte einmal: „Es würde mir nicht im Traum einfallen, einem Klub beizutreten, der bereit wäre, jemanden wie mich als Mitglied aufzunehmen.“ Das Dilemma sieht folgendermaßen aus: „Ich achte mich selbst nicht, ich kann niemanden achten, der mich achtet. Ich kann nur jemanden achten, der mich nicht achtet.“

•Edel sei der Mensch, hilfreich und gut
Um Zweifel an der Selbstlosigkeit (= Altruismus) der eigenen Hilfsbereitschaft zu entwickeln, braucht man sich nur zu fragen, welche Hintergedanken man dabei habe. Das könnte Imponiergehabe gewesen sein oder um den Anderen zur Dankbarkeit zu zwingen.

•Diese verrückten Ausländer
Eine der Grundregeln männlichen Flirts in Italien lautet: Wenn ich mit einer Frau mehr als fünf Minuten allein bin und sie nicht anfasse, glaubt sie, ich sei ein Homosexueller. Nun sind allerdings die Frauen wesentlich aufgeschlossener und sich männlich-leidenschaftlich zu benehmen ist nur dann ungefährlich, solange die Partnerin die richtige Komplementärhaltung einnimmt und mütterlich-gütig ablehnt.

•Das Leben als Spiel
Vom amerikanischen Psychologen Alan Watts stammt der Aphorismus, das Leben sei ein Spiel, dessen Spielregel Nr. 1 lautet: „Das ist kein Spiel, das ist todernst.“

Watzlawick erklärt an dieser Stelle den Unterschied zwischen Nullsummen- und Nichtnullsummenspielen. Bei Nullsummenspielen ist der Verlust des einen Spielers der Gewinn des anderen. Bei Nichtnullsummenspielen hingegen können daneben auch beide (beziehungsweise alle) Spieler gewinnen (Win-Win) oder verlieren. Bei einem Streik verlieren meist beide „Spieler“, die Betriebsführung und die Belegschaft.

(via Wiki)

Eine, interessante und sehr ironische Sicht auf die Dinge, vieles wird einem bewusst, besonders für radikale Optipessimisten ist das sehr zu empfehlen. Um diesen literarischen Witz rankt sich eine ganze Philosophie, die Welt strebt ständig nach Glück und ist aufgrund ihrer ständigen Unzufriedenheit damit beschäftigt ihr Unglück zu vermeiden, doch was ist eigentlich "Glück", eine Sache die man sich verdienen und hart erarbeiten muss? Ein Lichtblick des "Schicksals"? Ein göttliches, paradiesisches Stück Käse das an einer Angel hängt, hinter dem man als hungrige kleine Maus hinterher rennt aber nie erreicht?
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